5.9.2021 Tag 173 In die Schorfheide
Morgens ist mein Schlafquilt trotz Baumkronenschirm nass von Tau. Im ersten Licht breche ich auf, und lege aber schon recht bald eine Pause ein, um meinen Blogpost von gestern abzusetzen. Mobilfunkempfang ist oft nicht ausreichend hier, daher muss ich die seltenen Gelegenheiten nutzen. An den Rarangseen vorbei wandere ich weiter durch den Wald. Ich bin jetzt in der Schorfheide, einem sehr großen, geschlossenem, grünen Block, den ich schon seit langem kenne. 1990 als die Grenze gerade aufgegangen war, habe ich bereits einen Streizug durch die damalige DDR unternommen und die Schorfheide dabei kennen und lieben gelernt. Einige Jahre später habe ich dann dort tatsächlich meine Diplomarbeit geschrieben, daher ist es mir ein besonderes Anliegen die Schorfheide in meine Waldbegeisterungswanderung zu integrieren. Seit jeher war dies ein herrschaftliches Jagdgebiet und das hatte sich auch in den Zeiten der DDR noch nicht geändert. Unglaublich welche Massen an Wild es damals hier gegeben hat, man konnte manchmal fast glauben, in der Serengeti zu sein…
Das fand ich damals eindrucksvoll, war aber sehr schlecht für den Wald. Kilometerweit gab es fast keinen Unterwuchs, die Schorfheide war regelrecht leer gefressen!
Hinter dem Rarangsee geht es lange durch eindrucksvolle Waldumbauflächen. Überwiegend Eichen wurden hier gepflanzt. Teilweise sind die Bäume schon so hoch, dass die Gatter abgebaut wurden, da die Pflanzen nicht mehr durch Wildverbiss gefährdet sind, teilweise stehen die Zäune noch, aber die Kulturen dahinter sehen sehr gut aus. In der Oberförsterei Reiersdorf ist es mittlerweile möglich, aufgrund der strikten Bejagung jede Baumart ohne Schutz zu pflanzen, woanders ist das aber noch nicht der Fall. Dennoch ist der Bau von Kulturzäunen inzwischen im Landeswald Brandenburgs verboten. Damit will man natürlich Kosten sparen, aber auch zur konsequenteren Bejagung zwingen. Mir ist das zu strikt, auch wenn die Überlegungen dahinter richtig sind. Der Waldumbau auch in der Kiefer ist aus Klima, Stabilitäts, Wasserspende und Waldbrandgründen so wichtig und dringlich, dass man auf dieses Instrument nicht verzichten solllte!
An den Köllnseen erreiche ich eine große, seit 1990 unbewirtschaftete Kernzone des Biosphärenreservats, wo ich damals meine Diplomarbeit als Beitrag zum Pflegeplan geschrieben hatte. Was hat sich hier seitdem verändert? Die Seen wirken so einsam und unberührt wie eh und jeh, aber der Wald hat sich verändert. Inzwischen wächst die Heidelbeere fast überall in dichten Polstern und trägt Früchte. Dagegen sind Drahtschmiele und an ärmere Verhältnisse angepasste Pflanzen wie die Preiselbeere offenbar zurück gegangen. Die Kombination aus schwächerem Wildverbiss und überall feststellbarer, allgemeiner Eutrophierung der Landschaft durch Immissionen aus Verkehr und Landwirtschaft ist wahrscheinlich ursächlich hierfür. Sehr stark zugenommen hat auch die Spätblühende Traubenkirsche, die es damals nur vereinzelt als kleine Pflänzchen gab, heute aber oft drei Meter Höhe erreicht. Neben den Köllnseen war der Kienhorst der Grund für die Festsetzung dieser Kernzone, die auch gleichzeitig Naturschutzgebiet ist. Wie schon öfter erwähnt, sollen in Biosphärenreservaten 3 % der Fläche aus der Nutzung genommen werden. Im Kienhorst wachsen auf einem Dünenzug inzwischen wohl um die 240-jährige Kiefern. Schon damals waren einige dieser Baumveteranen abgestorben und ich hatte schon befürchtet, dass es kaum noch lebende Methusaleme gibt. Das ist aber nicht der Fall. Sicherlich sind noch einige weitere Kiefern inzwischen Baumruinen, aber es gibt auch noch sehr vitale Altbäume!
Darunter befindet sich bereits eine stufig aufgebaute Schicht aus jüngeren Kiefern, die mittlerweile das Bild dominieren.
Ich sehe einen Eichen-Sämling, aber es wird wohl noch sehr lange dauern, bis der Kienhorst sich zum Laubwald entwickelt, was mittlerweile auf lange Sicht sehr wahrscheinlich ist.
Die großen Wildwiesen, die früher der Staatsjagd dienten und 1994 noch komplett offen waren, werden mittlerweile langsam von jungen Kiefern erobert. Am Eingang des Naturschutzgebiets hängt eine Wildkamera, die die Wege im Visier hat, ohne das darauf hingewiesen wird. Das ist in Deutschland nicht erlaubt, und sollte in einem Waldgebiet in Landesbesitz erst recht unterbleiben!
Weiter Richtung Südosten werden die Böden langsam besser. Erste mächtige Eichen als Hinweise auf den ursprünglichen Wald tauchen auf, und es gibt mehr Eichen, Buchen und Birken, aber auch Traubenkirschen und Brombeeren unter den Kiefern. Auf großen Flächen wurde gerade plätzeweise der Rohhumus abgezogen und auf den nackten Boden jungen Buchen gepflanzt, die es so einfacher haben, als im dichten Heidelbeerpolster. Wie immer in Brandenburg wurde sehr dicht gepflanzt, was teuer ist, aber aufgrund der großen Pflanzenzahl den Schutz vor Wildverbiss vielleicht entbehrlich macht.
Schließlich schlage ich mein Freiluftlager in einem jungen Eichenbestand auf, und erledige wie immer erst mal meine Schreibaufgaben…
Als ich schnaubende Geräusche hinter mir höre, sehe ich zwei weibliche Damhirsche, die wohl nicht so recht etwas mit mir anfangen können…