26.6.2021 Tag 109 Mit der Waldlegende Dr. Sperber im Steigerwald
Nach dem Frühstück im Gästehaus Kaiser holt mich Dr. Georg Sperber ab, mit 88 Jahren immer noch hellwach und eine hochinteressante Persönlichkeit. Es ist mir eine große Ehre, diese „Waldlegende“ kennen zu lernen! Trotz des Altersunterschieds sind wir dann auch gleich beim Du.
Zunächst fahren wir einige Meter bis zum etwa 50 Hektar großen Naturwaldreservat Brunnstube, in das wir dann laufen. Das sich die Wälder im Steigerwald heute noch so urwüschsig präsentieren, ist teilweise den Zisterziensermönchen des Kloster Ebrach zu verdanken, die den umliegenden Wald lange Zeit sehr schonend bewirtschaftet haben. So gab es hier für die örliche Bevölkerung kaum Nutzungsrechte, wie Streunutzung und Waldweide, die an vielen Orten den Wald stark devastiert haben.
Georg Sperber übernahm 1972 das Forstamt. In dem Jahrzehnt zuvor waren hier noch 700 Hektar alte Laubwaldbestände kahl geschlagen und überwiegend mit Nadelbäumen bepflanzt worden. Dies sollte jetzt auf weiteren 500 Hektar geschehen, eine Praxis die er sofort zu seinem Amtsantritt beendete und das auch 20 Jahre lange durchhalten konnte, bis überall die Kahlschlagwirtschaft beendet wurde. Georg zeigt mir Karten aus dieser Zeit deren Vokabular regelrecht militärisch ist. So wird von „Angriff“ und „Teilangriff“ geschrieben, als Bezeichnung für die vorgesehenen Kahlschläge. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass hier regelrecht Krieg gegen den Wald geführt wurde! Oft wird von Forstleuten betont, dass der Zustand des Waldes aus lange zurück liegenden Entwicklungen resultiert, was oft auch richtig ist, allerdings ist es erstaunlich wie lange und in welcher Intensität in Deutschland noch bis in jüngste Zeit die alten Laubwälder, unser wichtigstes Naturerbe vernichtet wurden. So etwas darf sich heute unter dem Deckmantel des Umbaus der von manchen als nicht „klimastabil“ angesehenen Buchenwälder auf keinen Fall wiederholen!
Der Steigerwald ist standörtlich sehr vielfältig, so gelangen wir auch in der Brunnstube von eher reicheren Standorten, in denen sich Eichen, Hainbuchen, Ahorne und Elsbeeren zu den Buchen gesellen, zu eher ärmeren Bereichen, dem typischen Hainsimsen- Buchenwald. In dem etwa 270 Jahre alten Bestand sind keine Bewirtschaftungsspuren mehr feststellbar und der Charakter des Waldes kommt einem Urwald, wie es ihn beispielsweise in den Karpaten noch gibt, sehr nah. Da macht es auch nichts, wenn ein Tornado wie 2012 geschehen, einige mächtige Bäume fällt. Im Gegenteil, so ein Ereignis sorgt für mehr Vielfalt! Erstaunlich ist auch die hohe Holzqualität der Baumstämme und das alles ohne die Pflege des Försters…
Ebenso bestätigt sich hier auch die verbreitete Ansicht nicht, dass die Buche so dominant ist, dass sie kaum andere Baumarten neben sich duldet…
Ein toller Wald, der einen staunen lässt, kaum zu glauben, dass offenbar immer noch für Viele nur ein bewirtschafteter Wald ein guter Wald ist!
Georg erzählt mir, dass man gerade erst neu entdeckte Erkenntnisse der Wissenschaft, wie beispielsweise, dass ein vorratsreicherer Wald auch über einen höheren Zuwachs verfügt oder dass auch in sehr alten Beständen das Wachstum über lange Zeit kaum zurück geht, eigentlich schon lange bekannt sind…
Über die Argumentation mancher naturgemäß arbeitender Forstleute, dass so ein Waldbau nur mit niedrigem Holzvorrat möglich ist, kann er nur schmunzeln.
Selbst die Folgen große Trockenheit im Wald hat er schon nach 1976 gesehen. Nach diesem trockenen Jahr waren viele Buchen schwer erkrankt, und es gab Wissenschaftler, die dieser Baumart keine Zukunft mehr gaben, und wiederum die schnelle Beseitigung der alten Bestände empfahlen, was glücklicherweise relativ wenig umgesetzt wurde. Auf meine Frage, ob er es für sinnvoll hält, die Buchenbestände im Wirtschaftswald zur Zeit nur sehr vorsichtig zu nutzen, sagt er, dass er schon zu seiner Zeit wusste, wenn der Neuaustrieb in einem Bestand nach dem Wintereinschlag ins grün- gelbliche verfärbte, war man zu stark vorgegangen. Maximal 50 Festmeter pro Hektar ließ er einschlagen, kam aber bald zur Erkenntnis, dass zweimal 25, im Abstand einiger Jahre bestandesschonender sind, als 50 Festmeter in einem Eingriff.
Die alten Bäume in der Brunnstube sind extrem beeindruckend! Zu meiner Frage, ob das Naturschutzkonzept des Forstamts einen Nationalpark ersetzen kann, hat er eine klare Meinung: Zwar hält er dass Konzept bei konsequenter Anwendung im Wirtschaftswald für gut, aber solche seltenen Perlen wie der Steigerwald mit dieser nach wie vor sehr hohen Dichte an alten Bäumen, bedürfen unbedingt eines vollständigen Schutzes, wie ihn nur ein Nationalpark gewähren kann! Der Steigerwald mit seiner Größe und standörtlichen Vielfalt würde noch einmal neue Akzente im deutschen Nationalparksystem setzen und wäre sicher auch würdig in der UNESCO- Weltnaturerbestätte „Alte Buchenwälder“ mit integriert zu sein.
Georg Sperber weiß nach wie vor Bestens im Steigerwald Bescheid, kennt die Vorkommen von seltenen Vögeln und Käfern, sieht aber auch, dass das Naturschutzkonzept nicht immer umgesetzt wird. So gibt es durchaus zu starke Einschläge, dickes Kronenholz bleibt nicht immer liegen, Bestände werden aufgelichtet um Douglasien zu pflanzen und alte Buchen werden noch kurz vor der Methusalemgrenze 80 Zentimeter gefällt. Trotz dieser Vorkommnisse hält er die Bewirtschaftung des Forstbetriebs Ebrach grundsätzlich für relativ schonend. Aus meiner Perspektive ist es zwar verständlich, dass es einem als Förster schwer fällt, die Bewirtschaftung aufzugeben, aber andererseits würde mir hier jeder alte Baum leid tun, der unter der Motorsäge fällt. Lasst uns doch stolz sein auf solche großen, naturnahen Laubwaldgebiete wie den Steigerwald und ihnen als Konsequenz daraus wirklich erlauben, sich zu einer „Wildnis von Morgen“ zu entwickeln!
Georg könnte mir noch Tausend Sachen zeigen und ich ihm ewig zuhören, aber schließlich heißt es Abschied nehmen und ich wandere mit Ulla Reck, einer Tierärztin, die jetzt im Naturschutz arbeitet, und den gestrigen Termin organisiert hat, sowie ihrer Freundin Kim Weber weiter. Doch zuvor schauen wir uns kurz noch in Ebrach die sehr sehenswerte Ausstellung „Wilde Buchenwälder“ an. Noch einmal durchqeren wir den Steigerwald in Richtung Norden und gelangen schließlich bei Prüssberg an seinen Rand. Erstaunlich wie hier der Wald in Weinberge übergeht.
Nachdem ich in Gerolzhofen eingekauft habe, und mich von meinen Begleiterinnen verabschiedet habe, schlage ich schließlich in einem imposanten Eichenwald mein Lager auf. Es gibt hier viele Mücken, die aber glücklicherweise bei Einbruch der Dunkelheit überwiegend schlafen gehen. Später verleiht dann das grünliche Licht zahlreicher Glühwürmchen dem nächtlichen Wald eine geheimnisvolle Atmosphäre.
Mit Dr. Georg Sperber im Naturwaldreservat Brunnstube
Weite Bereiche sollten kahl geschlagen werden
Auch in der Brunnstube war Kahlschlag geplant!
Ausstellung “Wilde Buchenwälder”
Mit Ulla und Kim durch den Steigerwald
Der Wald geht in Weinberge über
Später kommen die Glühwürmchen
Lieber Gerald,
vielen Dank für deine Wanderung und deinen Besuch im Steigerwald! Wir hoffen, du kommst wieder, dann können wir noch dir viel mehr zeigen – sowohl weitere wunderschöne alte Waldgebiete als auch Gebiete, in denen die Folgen starker forstlicher Einschlägen zu Denken geben. Leider war das neulich aufgrund des Zeitmangels nicht möglich. Es freut mich, dass im Spessart alles geklappt hat und ich hoffe, du hast unsere Grüße ausgerichtet 😉
Wir wünschen dir weiterhin wunderschöne Erlebnisse in den Wäldern, festes Schuhwerk für den langen Weg und immer einen Blick für die Sterne!
Ulla
Vielen Dank liebe Ulla!
ich bin mir sicher, dass es noch sehr viel im Steigerwald zu sehen gibt, und bin mir sicher, dass ich irgendwann wiederkommen werde!
Alles Gute noch und viel Erfolg!