25.03.2021 Tag 26 Im Wildnisgebiet Wispertaunus
Schon um 6:15 bin ich wieder unterwegs. Auf den Wiesen hat es gefroren, aber im Wald, der die Klimaextreme ausgleicht, ist die Temperatur nicht uner den Gefrierpunkt gesunken. Schon um 7:30 bin ich an der Laukenmühle, wo in einer Stunde richtiger Medientrubel einsetzt: Zunächst erscheint RTL-Hessen um mit mir zu drehen, eine halbe Stunde später auch der Hessische Rundfunk. Schließlich kommen dann noch Nico, zwei Leute vom NABU mit denen ich hauptsächlich verabredet bin, ein Team von der Frankfurter Rundschau und eine weitere Journalistin. Es ist mir ziemlich peinlich, dass auf mich gewartet werden muss, aber Fernsehaufnahmen brauchen halt schon ihre Zeit, wenn auch für lediglich ein paar gezeigte Minuten.
Schließlich ist das Fernsehen weg und wir laufen mit den Journalisten ein paar Schritte. Sie sind an meiner Tour interessiert, vor allem wollen wir ihnen aber die Wichtigkeit von Naturwaldgebieten nahe bringen. Hier im Hinterlandswald, dem mit 22.000 ha größtem, geschlossenen hessischen Waldgebiet, gibt es seit 2016 eine Wildniszone von etwa 1100 ha, in denen sich die Natur ohne forstliche Bewirtschaftung entwickeln soll. Mark Harthun, der kommissarische Geschäftsführer des NABU in Hessen erläutert das Konzept. Nach der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung von 2007 sollen 5 % der gesamten Waldfläche aus der Bewirtschaftung genommen werden und 2 % der Fläche der Bundesrepublik sollen sich zur Wildnis entwickeln. Dazu zählen aber nur Flächen, die größer als 1000 Hektar sind. Davon gibt es in Hessen bislang 4, der Wispertaunus ist eine davon. Was das 5 % Ziel angeht, ist Hessen auf ganz gutem Weg, mit bisher 3,8 %. Im Staatswald wurden sogar 10 % der Fläche aus der Nutzung genommen. Der NABU und 19 andere Naturschutzverbände, haben sich zur Initiative „Wildnis in Deutschland“ zusammen geschlossen, welches von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt federführend vorangetrieben wird. Bundesweit gibt es bisher erst auf 0,6 % der Fläche zukünftige Wildnis, auch dabei ist also noch Luft nach oben. Es stehen sogar Mittel zur Verfügung um geeignete Flächen anzukaufen.
Nachdem die Presseleute sich verabschiedet haben, führt uns Uwe Müller, der Gebietsbetreuer des NABU durch das Gebiet. Im Gegensatz beispielsweise zum Nationalpark Eifel, dominiert hier tatsächlich der Laubwald bei weitem. Viele karge, felsige Hänge, sind von jeher kaum bewirtschaftet worden, es gibt aber auch starke Bäume, die wirtschaftlich attraktiv wären. Besonders auffallend ist das viele Totholz mit etlichen Mikrohabitaten von abblätternder Rinde bis zur Schwarzspechthöhlen. Auch hier leidet der Wald. Etliche Bäume, vor allem Buchen, sind am Absterben oder schon tot. Aber glücklicherweise gibt es auch hier kein flächiges Absterben. Für die Biodiversität wird tatsächlich sogar der Zuwachs an Totholz in den nächsten Jahren sicherlich positiv sein. Oft wird ja gesagt, dass die Buche die Eiche ohne menschliche Eingriffe verdrängt. Das ist aber auf den meist sehr trockenen, armen Böden hier sicher auch in der Vergangenheit schon unwahrscheinlich gewesen. Unter den Bedingungen des Klimawandels wird die Eiche, aber auch Linden und Hainbuchen hier sicher eher konkurrenzstärker.
Es gibt einige Nadelholzbestände, vor allem der Douglasie, in denen es in einer Übergangszeit noch eine forstliche Nutzung geben soll. Aus meiner Sicht ist das Quatsch, da auch danach, die Flächen noch mit Nadelbäumen bewachsen werden sein werden, und es einfach viel konsequenter wäre, den Wildnisgedanken sofort ohne Einschränkungen zu verwirklichen. Krasserweise gibt es auch hier Flächen, wo in den letzten Jahren die Buchen aufgelichtet wurden, um Douglasien darunter zu pflanzen. So geht man nicht mit unserem wertvollem Naturerbe, den alten Laubwaldbeständen um!
Das ganze wird dann zwei Meter hoch eingezäunt, um dem Rotwild den Zugang zu verwehren. Immerhin wächst dann auch Naturverjüngung der Buche hoch, die ausserhalb des Zauns kaum aus dem Zwergenstadium heraus kommt. Trotz Jagd erscheint der Rotwildbestand sehr hoch zu sein, tatsächlich bekommen wir auch noch ein Rudel von 10 Stück zu sehen. In einem Wildnisgebiet sollte auch die Jagd ruhen, daran wird hier aber zur Zeit nicht einmal gedacht…
Der Wolf scheint hier gerade wieder heimisch zu werden, aber ob er die Wildbestände dann absenken würde ist fraglich.
Es bleibt also ein weiter Weg, bis sich hier eine wirkliche Wildnis entwickeln wird. Aber das Gebiet ist wunderschön und hat großes Potenzial dazu!
Schließlich beenden wir unsere kleine Exkursion und die NABU- Leute bringen mich nach Sauerthal zurück, was ich ja schon gestern passiert hatte, und von wo aus ich dann weiter laufe, bis ich kurz vor 18 Uhr in einem Buchenbestand mein Lager mit Tarp aufschlage.
Karge Hänge
Viel Totholz
Es gibt auch kleinere Douglasienbestände
Zaun abbauen!
Buchenbestände
Absterbende Buche
Das macht man nicht!
Starke Einzelbäume
Bizarre Baumformen
Die Wisper ist ein naturnaher Bach
Mark und Uwe
Guten Morgen Gerald.
Die Zeitung "Kompakt! Hinterland zum Wochenende", widmet sich heute ganz dem Thema Wald.
Überschriften:
Wald nah-natürlich-nachhaltig.
Ein Stück Natur von Hand gemacht.
Ein Forts-Fachbegriff wird zum Lebensstil.
Was ist Nachhaltigkeit?
Dem Wald geht es nicht so gut.
Endlich Frühling- der Wald erwacht.
Der Wald der Zukunft braucht Geduld.
Der Wald ist auch fürs Wandern zentral.
Die Stockwerke des Waldes.
Kleinholz in zwei Minuten, der John Deere-Harvester 1470G.
Unter den Überschriften findet man teilweise schon kuriose Berichterstattungen. Auch Förtser aus der Region kommen zu Wort.
Ich kann Dir dieses Exemplar der Ausgabe gerne zusenden; brauche dazu aber eine Versandanschrift.
VG