20.9.2021 Tag 188 Mit Wilhelm Bode, einem Urgestein der Naturgemäßen Waldwirtschaft, auf die Insel Vilm
Ich schreibe noch fast bis Mitternacht, aber dennoch klingelt mein Wecker schon um halb fünf. Es dauert dann aber eine halbe Stunde, in der ich schon mal geduscht und mich angezogen habe, bis ich merke, dass ich eine Stunde zu früh aufgestanden bin! Das entpuppt sich aber bald als goldrichtig, da Hannes der heute eine Reise antritt, feststellt, dass wir doch besser früher los fahren…
Nach gemeinsamem Frühstück mit den sympathischen Knapp’s nimmt mich Hannes zurück nach Stralsund mit. Dort muss ich dann noch zweieinhalb Stunden warten, bis ich mich mit Wilhelm Bode treffen kann, einem Urgestein der Naturgemäßen Waldwirtschaft.
Bode stammt aus dem Sauerland und hatte zunächst Jura und dann Forstwissenschaften studiert. Schon bald machte er eine steile Karriere und wurde Landesforstchef im Saarland, wo er maßgeblich an der Einführung der Naturgemäßen Waldwirtschaft beteiligt, war, als erstem Bundesland überhaupt. Schon vor fast 30 Jahren verfasste er mit „Waldwende“ ein Buch, in dem er die Notwendigkeit des Arbeitens mit dem Ökosystem Wald thematisierte, statt wie weit verbreitet, im Prinzip gegen die Natur zu arbeiten.
Diesem Buch folgten einige weitere, ausserdem war er neben zahlreichen weiteren Ämtern, stark im Thema Waldnaturschutz beim NABU engagiert.
Bode ist ein charmanter, interessanter Gesprächspartner, der in seiner gesamten Laufbahn nie ein Blatt vor den Mund genommen hat, und es liebt die Dinge mit pointierten Formulierungen auf den Punkt zu bringen.
Wir fahren in ein Staatswaldgebiet bei Negast, dass bis vor wenigen Jahren seiner Meinung nach vorbildlich bewirtschaftet wurde, sich aber nach einem Stellenwechsel im Niedergang befindet. Wie vielerorts wurde der abwechslungsreiche Laubwald nach Schema F mit Rückegassen erschlossen, die oft keine zwanzig Meter auseinander liegen. Dadurch wurde das so wichtige Waldinnenklima gestört und lichtliebende Pflanzen wie Brombeeren wanderten in die Bestände ein. Die vorhandenen Entwässerungsgräben sind noch in vollem Betrieb, eigentlich ein Unding in Zeiten der Klimakrise wo es gilt, jeden Tropfen Wasser im Wald zu halten. Auch alte Buchenbestände wurden wie geschildert mit einem Netz von Fahrgassen überzogen, durch deren frei schlagen zwar viel Holz anfiel, aber wenig für die Wertleistung des Bestandes getan wurde. Besonders krass wirkt auf mich ein mittelalter Eichenbestand der sehr stark aufgelichtet, und regelrecht geplündert wurde. Auch ökonomischer Unsinn, da die Stämme noch lange keinen wirtschaftlich sinnvollen Zieldurchmesser erreicht hatten.
Bode ist ein überzeugter Anhänger der Dauerwaldidee Alfred Möllers, die dieser schon vor 100 Jahren entwickelt hat, und deren Kern die Sicht auf den Wald als Ökosystem ist, dass sich seine Wuchsbedingungen zu einem guten Teil selber schafft, wenn man ihn lässt.
Wie man so ein System sehr schnell stressen und destabilisieren kann, hat Wilhelm Bode mir hier gezeigt.
Anschließend fahren wir auf die Insel Rügen zum Hafen Lauterbach, von wo das Boot auf die Insel Vilm absetzt. Vilm ist ein knapp 100 Hektar großes Eiland vor der Küste Rügens, was lange Zeit besiedelt war. In der DDR- Zeit verbrachten hier die Polit Promis wie Honecker und co teilweise ihren Sommerurlaub, natürlich streng bewacht und abgeschirmt. Nach der Wende wurden dann Vilm Sitz der Internationalen Naturschutzakademie, einer Außenstelle des Bundesamts für Naturschutz. Heute kann man die Insel nur im Rahmen einer organisierten Bootstour besuchen, oder mit besonderer Genehmigung, die kein Problem war, da Hannes Knapp, den ich gestern getroffen hatte, der langjährige Leiter war und auch Wilhelm Bode ein guter Bekannter ist.
Vilm ist heute eine Kernzone des Biosphärenreservats Südostrügen.
Ein Boot der Akademie, dass noch aus der DDR Zeit stammt, setzt uns rasch über. Zunächst passieren wir die mit Strohdächern versehenen Gebäude der Akademie und laufen dann auf einem Rundweg um die Insel. Die Küste hier ist sehr vielgestaltig und malerisch, besonders bei dem herrlichen Wetter heute. Im Wald wachsen zahlreiche Buchen und Eichen, die teilweise über 300 Jahre alt sind. Allerdings zeigen sie oft die typische Form von Hutewaldbäumen, die weitgehend im Freistand aufgewachsen sind. Wahrscheinlich wurde das Unterholz hier lange Zeit als Brennholz genutzt. So ist der Wald auf Vilm von seiner Struktur her auch nicht so naturnah wie alte Wälder, die ich beispielsweise im Faulen Ort oder in Serrahn gesehen hatte. Nichts desto trotz ist es hier sehr schön und wunderbar ruhig. Fast könnte man sich wie auf einer Robinson Insel fühlen.
Die Internationale Naturschutzakademie war auch Ausgangspunkt von Naturschutzbemühungen, die beispielsweise zu einer Anerkennung der iranischen Urwälder am Kaspischen Meer als Naturerbe geführt haben. Wälder die ich auch sehr gerne besuchen möchte…
Schließlich fahren wir zurück aufs Festland und Wilhelm Bode bringt mich zum Rügendammbahnhof, wo ich ja gestern die Wanderung unterbrochen hatte.
Zum Abschluss schenkt er mir sein neuestes Buch: „Dauerwald leicht gemacht“, in dem er in kompakter Form diese naturnahe Waldwirtschaftsform beschreibt. Ich bin schon gespannt!
Nachdem ich über den Rügendamm gelaufen bin, suche ich mir bald ein Plätzchen für mein Freiliuftlage im Unterholz neben der Bahnstrecke. Nicht sehr idyllisch, aber ok…
Hallo Herr Klamer, Danke für den schönen Bericht. ich habe ihn erst soeben entdeckt. Ich gehöre eben zu einer weniger Internet affinen Generation.
Der Leitfaden läuft sehr gut, vielleicht auch, weil Sie ihn so früh abgebildet haben. Hoffen wir, dass Sie vieles von dem was wir gesehen und diskutiert haben auch im Wald anwenden können. Sie waren ein anregender Gesprächspartner und haben mich wieder ein Stück optimistischer gemacht – so lange es Kollegen wie Sie gibt. Danke und herzlichst
Ihr Wilhelm Bode am 26. 11. 21
Lieber Herr Bode,
schön von Ihnen zu hören, und vielen Dank für den netten Kommentar! Ihr Buch habe ich inzwischen komplett gelesen und muss sagen, dass es mir insgesamt sehr gut gefällt. Es gibt natürlich einige Dinge, die ich etwas anders sehe. Aber gerade, dass Sie die naturgemäße Waldwirtschaft im Kontext mit Boden und Klima umfassend erläutern, finde ich sehr gut. Alfred Möller hat ja auch schon so gedacht, um so mehr passen diese Gedanken in die heutige Zeit.