20.05.2021 Tag 75 Durch die Bilderbuchlandschaft des Allgäu
Obwohl ich das Tarp gestern Abend nicht gut abspannen konnte, bleibe ich trocken. Morgens regnet es immer noch, aber ich schreibe erst mal und breche dann in leichtem Regen erst gegen 7:30 auf. Etwas abseits der Straße sehe ich ein etwas futuristisch aussehendes Baumhaushotel, mit einzelnen „Holzeiern“ die jeweils um einen Baum herum angelegt wurden.
Bald erreiche ich den Kempter Wald, ein großes, ziemlich ebenes Waldgebiet. Ein Schild an eine Fläche neben der Straße verkündet „Betreten verboten“ und „Videoüberwachung“. In Deutschland steht glücklicherweise auch der Privatwald der Öffentlichkeit offen und darf nicht gesperrrt werden, daher sind solche Schilder illegal und unnötig.
Der Kempter Wald ist relativ eben und besteht überwiegend aus Fichten. Stellenweise wurden auch Weißtannen gepflanzt, die offenbar ohne Schutz gedeihen. Aber insgesamt ist es hier noch ein weiter Weg zu einem stabilen Mischwald.
Während eines kräftigeren Regenschauers stelle ich mich unter einer tief beasteten Fichte unter, und telefoniere mit meinem ehemaligen Chef, der mir erzählt, das beispielsweise Schreiner, zur Zeit nicht genug Holz zum Verarbeiten bekommen, da offenbar sehr viel nach Amerika exportiert wird. In diesem Zusammenhang erläutert er mir seine Befürchtung, dass der Nutzungsdruck auf den Wald weiter steigen wird, was dazu führen kann, das bei der Wiederbewaldung der Borkenkäferflächen wieder überwiegend reiner Nadelwald gepflanzt wird, und vielleicht zum Schutz der neuen Waldgeneration bewusst stehen gelassenes Totholz doch noch abgeräumt wird.
Holznutzung ist zwar gut und richtig, aber oberstes Ziel muss sein, einen stabilen Mischwald aufzubauen, damit solche Katastrophen wie sie an vielen Orten zur Zeit statt finden, sich nicht ständig wiederholen!
Dazu gehört dann eben auch ein hoher Laubbaumanteil, auch wenn der zunächst weniger ertragreich erscheint!
Auf Straßen laufe ich weiter durch Görisried nach Lengenwang. Das Wetter wird jetzt richtig schön, mit Sonne und abziehenden Wolken. Auf Asphaltwegen laufe ich in das maleriische Tal der Lobach. Sattgrüne Wiesen, Einzelbäume und die Kulisse der Berge rückt jetzt immer näher, eine wunderschöne Landschaft! An einem Ruheplatz wurde hier sogar eine Hängematte aufgespannt, perfekt zum relaxen!
Der Sulzschneider Forst besteht auch überwiegend aus Fichtenwald. Sehr dichte, bisher kaum durchforstete Bestände, wahrscheinlich Privatwald, können nur sehr langsam umgebaut werden, wenn man nicht riskieren will, dass der nächste Sturm die Bäume umwirft. In mehreren Eingriffen, bei denen jeweils nur wenige der Fichten gefällt werden, kann so behutsam etwas mehr Licht an den Boden gelangen, so dass dann auch Buchen und Weisstannen gepflanzt werden können. Das scheint hier aber nicht die Absicht zu sein, denn auf eine kleinen Freifläche wurden Küstentannen gepflanzt. Offenbar setzt man hier auch weiterhin auf Reinbestände von Nadelbäumen. So sind die nächsten Kalamitäten vorprogrammiert!
Am Wegrand äst ein Rehbock, dem ich mich bis auf wenige Meter nähern kann, leider habe ich das Teleobjektiv im Rucksack verpackt…
Etwas weiter sorgt ein Biberdamm für neue Wasserflächen, die beispielsweise AmphibienLebensräume bieten.
An dem Sträßchen von Rosshaupten nach Rieden erreiche ich einen fantastischen Aussichtspunkt, von dem aus man das noch ziemlich verschneite Ammergebirge und den grünen Forggensee überblicken kann. Eine tolle Landschaft!
In Rieden treffe ich dann Hubert Endhardt, den Vorsitzenden des Vereins Pro Natonalpark Ammergebirge und Christian Bock, einen österreichischen Fotografen, der mich die nächsten Tage begleiten will.
Bei Hubert und seiner netten Familie dürfen wir uns einrichten und sitzen bei leckerem Essen noch länger zusammen.