19.07.2021 Tag 132 Naturschutzgroßprojekt Hohe Schrecke
Nachdem ich am Enzianberg meinen Blogpost von gestern absetzen konnte, laufe ich nach Braunsroda, wo ich mich im Projektbüro der Naturstiftung David mit Dr. Dierk Conrady treffe. Die Hohe Schrecke war früher in adeligem Besitz und diente ab 1933 als Truppenübungsplatz, zuletzt der Roten Armee. Daher wurden zwar 850 ha Wald für die Anlage eines Panzerschießplatzes gerodet, ansonsten wurden die alten Laubwaldbestände bis zur Wiedervereinigung 1990 nicht forstwirtschaftlich genutzt. Nach Abzug der Russen ging das Gebiet in Bundesbesitz über und sollte dem Land Thüringen komplett übereignet werden. Da Munitionsbelastungen befürchtet wurden, übernahm das Land nur Teilflächen, der Rest wurde privatisiert. Damit wurde aus Naturschutzsicht eine großartige Chance vertan, denn durch die lange, weitgehend unbeeinflusste Entwicklung, den sehr hohen Altbaumanteil, die großen Sukzessionsflächen und die Unzerschnittenheit dieses Waldgebietes wäre es sicher nationalparkwürdig gewesen. Außerdem ist die Hohe Schrecke alter Wald, der nie gerodet wurde, was wichtig für die Habitatkontinuität vieler Arten ist.
Leider wurde erst 2009 ein Naturschutzgroßprojekt des Bundes auf den Weg gebracht, mit der Naturstiftung David als Träger. Diese wurde vom BUND Thüringen gegründet und greift auf einen Kapitalstock zurück, der sich aus einer Klage ergeben hatte.
Mittlerweile ist es der Stiftung gelungen, um die 2500 ha komplett aus der forstwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen, die sich im Wesentlichen auf zwei getrennte Teilfächen verteilen. Dies geschieht entweder durch Kauf oder Ablösung des Nutzungsrechtes. Auf dem Rest der Flächen strebt David eine naturschutzkonforme Nutzung an.
Nachdem wir uns im Büro unterhalten haben, fahren wir raus, zunächst mal oft entlang der Route die ich schon kenne. Im Gegensatz zum Hainich besteht der geologische Untergrund hier meist aus Buntsandstein, der aber oft von einer dicken Lehmschicht überlagert wird. Auffällig ist der mit 17 % recht hohe Eichenanteil. Während die Beschränkung auf einen Rückegassenabstand von 40 Metern entweder freiwillig oder durch Verpflichtung aus dem Kaufvertrag umgesetzt wird, gestaltet sich die Umsetzung bei den Habitatbäumen etwas schwierig. Um diese dauerhaft zu sichern, wird vom Bundesamt für Naturschutz ein Eintrag im Grundbuch verlangt, wozu die Privatwaldbesitzer nicht bereit sind, aus verständlichem Grund, da solche Einträge einen irgendwann vielleicht anstehenden Verkauf erschweren könnten. Jan Martin Dee, der größte Waldbesitzer hier, mit dem die Zusammenarbeit gut läuft, markiert dennoch Habitatbäume in seinem Wald, allerdings auf freiwilliger Basis. Ebenso ist positiv hervorzuheben, dass er die abgestorbenen Fichtenflächen im Wesentlichen mit Eichen wieder aufforsten möchte. Diesem Mann scheint der Schutz der Hohen Schrecke wirklich am Herzen zu liegen. Wahrscheinlich kann kaum ein anderer Waldbesitzer in Deutschland potenziell so viel positives Positives für den Naturschutz tun wie er. Hoffentlich nutzt er diese tolle Chance!
Im Wiegental befindet sich eines der Herzstücke der Hohen Schrecke. Leider stellt Dierk Conrady fest, dass etliche der alten Buchen abgestorben sind, Dennoch macht er sich um den Wald in der Hohen Schrecke als Ganzes keine Sorge. Viele der mächtigen Giganten mit ihren großen Kronen sind offenbar Relikte der ehemaligen Mittelwaldnutzung die hier, wie an vielen Orten betrieben wurde.
In der Hohen Schrecke werden regelmäßig Inventuren zu Veränderungen von Holzvorrat, Totholz u.s.w. durchgeführt, aber es gibt viel Potenzial für weitere Forschungen in vielerlei Hinsicht. So wäre zum Beispiel eine Analyse der Waldschäden über Fernerkundung interessant.
Ich zeige Dr. Conrady die Bestände mit der extrem hohen, ausgezeichneten Einschlagmenge und den zerfahrenen Rückegassen in nur 20 Meter Abstand, die ich gestern entdeckt hatte.
Beim zweitgrößten Waldbesitzer in der Hohen Schrecke läuft offensichtlich etwas falsch. Würde der Einschlag wie geplant umgesetzt, wäre das sowohl ein Verstoß gegen vertragliche Pflichten, Forstrecht, Naturschutzrecht und sogar europäisches Recht im Zuge der FFH- Richtlinie. Ich hoffe, dass sich dieser fatale Einschlag auf großer Fläche noch durch Gespräche abwenden lässt, ohne das man das ganz große Schwert ziehen muss….
Zu guter Letzt schauen wir uns noch die Sukzessionsflächen auf der ehemaligen Rodungsfäche für einen Panzerübungsplatz an. Da das Gelände zeitlich versetzt aufgegeben wurde, gibt es hier unterschiedliche Stadien. Mal dominieren noch Aspen und Birken, mal ist die Buche im Schutz der Pionierbäume bereits auf dem Vormarsch. Auch ein nennenswerter Eichenanteil ist in dem neuen Wald vertreten. Daneben gibt es sogar Feuchtflächen, die sich nur sehr langsam wiederbewalden. Ein interessantes Landschaftsmosaik!
Nachdem wir uns verabschiedet haben, setze ich meine Wanderung durch die Hohe Schrecke ab dem Punkt fort, wo ich gestern Richtung Braunsroda abgebogen war. Schließlich schlage ich am Rande des großen Waldgebiets mein Lager auf. Es ist jetzt ziemlich grau, wird aber wohl nicht regnen.