16.06.2021 Tag 99 “Waldwildnis Frankenwald”
Schon um 5 Uhr morgens bin ich wieder unterwegs. Ich laufe streckenweise über schöne Graswege, die allerdings noch nass vom Tau sind, so dass ich bald nasse Füße habe. Kein Problem bei dem schönen Wetter! Kleinere Wälder wechseln sich mit offenen Fluren ab, eine recht abwechslungsreiche Landschaft hier im Frankenwald. Ich folge jetzt teilweise dem Frankenwaldsteig und dem Frankenweg. Wie im Fichtelgebirge dominiert auch hier die Fichte im Wald sehr stark. Zwar sehe ich einige Borkenkäferflächen an den Hängen, aber insgesamt erscheint auch hier der Wald noch intakt. Bad Steben scheint noch ein richtiger, klassischer Kurort zu sein, mit schönem Park, in dem sogar ein kleines Konzert für die Gäste statt findet. Überall sind Leute mit Nordic- Walking Stöcken unterwegs. Der Kurpark leitet über zu einem Wald mit alten Laubbäumen, eine Seltenheit in dieser Gegend! Danach laufe ich längere Zeit auf einer schönen Allee, mit vielen Bergahornen nach Langenbach. Hinter dem Ort tauche ich dann in ein großes Waldgebiet ein, auf der bayerischen Seite nach wie vor fast ausschließlich mit Fichten bewachsen. Am Schwarzen Teich erreiche ich die ehemalige innerdeutsche Grenze. Der grasbewachsene Kolonnenweg ist noch erhalten und eine Tafel erinnert an die einstige, mit Minen gesicherte, schwer bewachte Grenze, wo verhindert werden sollte, dass die DDR- Bürger ihr Land verlassen. Das ist erst gut 30 Jahre her!
Schließlich erscheint Thomas Jänisch, ein Förster der bei der Stiftung Naturschutz Thüringen arbeitet. Die Stiftung hat aus überwiegenden Mitteln des Bundesamts für Naturschutz hier gerade 320 Hektar Wald erworben. Hier soll eine große „Waldwildnis Frankenwald/ Thüringisches Schiefergebirge“ entstehen. Tatsächlich sollen laut Jänisch in diesem Jahr insgesamt 1400 Hektar der BVVG einen neuen Eigentümer finden, das ist die Nachfolgeorganisation der Treuhand, die die Privatisierung in der ehemaligen DDR umgesetzt hat. Dabei ist noch nicht klar, ob dies die Stiftung sein wird, aber das wäre aus Naturschutzsicht wünschenswert. Laut meinem Ansprechpartner gibt es auf den bisherigen 320 ha, nur 50-60 ha Buchenwald, der tatsächlich seit 25 Jahren schon nicht mehr bewirtschaftet wird. Der Rest seien Fichtenflächen, häufig stark aufgelichtet und größtenteils Jungbestände, die der Sturm Kyrill 2007 geschaffen hat. Während einer 10 jährigen Übergangszeit soll es hier noch Maßnahmen geben, wie die Förderung von Laubbäumen, bis das Gebiet endgültig in den Wildnisstatus entlassen wird. Die Buchenbestände sind ziemlich dicht mit üppiger Naturverjüngung und in den mittelalten Beständen gibt es wenig Totholz bisher. Viele Randbäume zeigen erschreckende Kronenschäden, aber im Inneren des Waldes sieht der Zustand der Buchen besser aus. Die Flächen liegen in einem 1300 ha großen Naturschutzgebiet, daher hat auch schon seit langem keine Bewirtschaftung in den Buchenbeständen statt gefunden. Bereits nach einer Stunde setze ich ziemlich nachdenklich meinen Weg fort. Auffallend ist dann allerdings, dass es doch recht viel Laubbäume, vor allem Buchen und Bergahorne gibt. Das ist gerade im Vergleich zur bayerischen Seite sehr auffallend. Sollte sich hier langfristig nicht doch eine natürliche Entwicklung zu eher laubwaldgeprägten Wäldern ergeben? Ausserdem ist der Wald ziemlich groß und abgelegen, durchsetzt mit Bächen und kleinen Feuchtflächen. Ich bin noch immer nicht ganz von der Idee des Wildnisgebiets überzeugt, aber jetzt schon eher. Zur Zeit wird leider in den Fichtenbereichen der BVVG nicht besonders naturnah gearbeitet. Gerade wurde überall Borkenkäferholz mit dem Harvester aufgearbeitet, natürlich wie meistens mit lediglich 20 Meter Rückegassenabstand. Selbst hier in einem Naturschutz- und künftigem „Wildnisgebiet“ scheint der Bodenschutz hinter der maschinengerechten Waldnutzung zurückstehen zu müssen, eine Schande!
Bei Rodacherbrunn gelange ich auf den Rennsteig, einen schon 1896 ausgewiesenen Fernwanderweg, der hauptsächlich den Thüringer Wald durchquert. Hier hatte ich gleich nach der „Wende“ 1990 meine ersten Eindrücke in Ostdeutschland erhalten, allerdings am anderen Ende des Wegs, bei Eisenach.
Der Rennsteig verläuft als Pfad durch überraschend schönen Wald. Alte Fichtenbestände wurden großflächig mit Buchen unterpflanzt. An anderer Stelle wurden aber leider schon vor langer Zeit die alten Buchen komplett über der dichten, nächsten Generation entnommen. Man nennt es „Schirmschlag“, es ist aber eigentllich nur die Kahlschlagversion im Buchenwald.
In Grumbach beziehe ich ein Zimmer, da ich von mir gedrehte Videos an die Produktion von „Pur +*“ übertragen muss, und ich meine Elektronik mal wieder laden will. Dusche und Wäsche waschen sind natürlich auch willkommen….
Auch der Frankenwald ist Fichten dominiert
Ehemalige innerdeutsche Grenze
Nur der schraffierte Bereich besteht aus Buchenwald
Thomas Jänisch von der Stiftung Naturschutz Thüringen
Harvestereinsatz im BVVG- Wald