1.11.2021 Tag 229 Vom Reinhardswald zum Habichtswald
Da ich schon morgens ein Radiointerview vor mir habe, und es hier keinen Funkempfang gibt, laufen wir bereits im Licht der Stirnlampen los. Etwas abseits vom Hauptweg entdecken wir schließlich einen Platz mit einer ziemlich feudal wirkenden Jagdhütte, einschließlich Küche und Ledermöbeln. Der Reinhardswald ist ein reines Staatswaldgebiet, da hat man sich auf Kosten des Steuerzahlers etwas Nettes zur vermutlich ausschließlichen Nutzung des Forstpersonals gebaut. Solche Hütten gibt es tatsächlich vielerorts, wenn auch nicht so üppig ausgestattet. Ich fände es gut, wenn diese in irgendeiner Form auch der Allgemeinheit zur Verfügung stünden…
Auch hier ist die Funkverbindung nicht gut, dennoch gelingt das Interview mit HR 1. Anschließend setzen wir unseren Weg entlang der von alten Eichen gesäumten Wege fort. Der Reinhardswald wurde auch früher schon von Stürmen getroffen und offenbar recht viel mit Eichen wieder aufgeforstet. Wir sehen aber auch viel Naturverjüngung von Lärchen und Birken. Allerdings ist an manchen Stellen auch die nächste Waldgeneration wieder überwiegend Fichte, die auf den staunassen Böden des Reinhardswaldes sehr sturmgefährdet ist, und daher hier eigentlich am Besten überhaupt nicht stehen sollte.
Hier im Südteil des Reinhardswalds gibt es auch große Freiflächen, die oft bereits mit Eichenkulturen im Zaun bepflanzt wurden. Das ist grundsätzlich positiv, wenn auch teuer. Fast überall wurde das Restholz auf Wälle gepackt. Ohne Zweifel wurde dazu ein Großteil der Fläche befahren, denn selbst ein 20- Meter Rückegassennetz reicht nicht für eine so intensive Räumung aus. Wie gestern geschrieben, wurde der hessische Staatswald nach FSC zertifiziert, ich wundere mich sehr, wie so etwas damit zusammen passt…
Wir sehen Arbeitstrupps die Zäune bauen und es wurden Gräben zur Moorrenaturierung verschlossen.
An einer Stelle sehen wir einen großen Forstmulcher. Zunächst befürchte ich, dass er ganze Flächen komplett befährt, dann sehen wir aber, dass er sternförmige Jagdschneisen anlegt. Damit man von einem Hochsitz freies Schussfeld hat. Das ist grundsätzlich nicht unüblich, aber in dem Ausmaß, wie das im Reinhardswald geschieht, schon ziemlch krass. Jagd hat hier seit jeher eine große Rolle gespielt, wobei es nie um die bloße Wildreduktion ging, sondern um das Schießen möglichst kapitaler Trophäenträger. Das hat sich hoffentlich auch hier heute ein wenig geändert, Reste dieser quasi feudalen Traditionen haben sich aber offenbar immer noch gehalten. Tatsächlich dienen solche Schussschneisen überwiegend der wenig effektiven Ansitzjagd. Es ist so, dass je häufiger die Kanzeln frequentiert werden, das Wild umso scheuer und schwerer zu bejagen ist. Effektiver sind da in der Regel wenige Bewegungsjagden, auf denen man in kurzer Zeit viel Wild erlegt.
Insgesamt in das Bild vom feudalen Jagdzirkus passt auch, dass der Staatswald nach wie vor eingezäunt ist, und mit Anordnung von 2014 sogar zum Wildschutzgebiet erklärt wurde. Danach ist das Betreten des Waldes in der Dämmerung und Nacht für Waldbesucher verboten. Weder das Rotwild noch andere Wildarten hier sind bedroht und bedürfen einer solchen Maßnahme. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dadurch behördlicherseits lediglich eine bestimmte Jagdkultur unterstützt wird, die ohne Zweifel selbst die größte Beunruhigungsquelle ist.
Ich halte das allgemeine freie Waldbetretungsrecht in Deutschland für ein sehr hohes Gut, was nur durch wirklich triftige Gründe eingeschränkt werden darf!
Schließlich verlassen wir das große Waldgebiet und sehen vor uns bereits die Basaltkegel des Habichtswaldes aufragen, unserem nächsten Ziel. Durch Immenhausen wandern wir weiter durch die Feldflur, wo es noch viele Bäume voller Äpfel gibt. In der Nähe des Schlosses Wilhelmsthal erreichen wir schließlich das Forsthaus, in dem Dagmar Löffler wohnt, langjährige Revierleiterin bei HessenForst und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Waldwirtschaft Hessen. Wir werden sehr freundlich empfangen und unterhalten uns bei einer leckeren Suppe noch lange.
Lieber Kollege Klamer,
die bewundernswerte Aktion verfolge ich von Beginn an.
Tolle Sache.
Schade, dass wir uns hier im Reinhardswald nicht getroffen haben. Wir hätten viel zu erzählen, anzusehen und zu diskutieren gehabt.
Für den Restweg alles Gute und herzliche Grüße
Jupp Rapp
Vielen Dank! Ja, das wäre bestimmt sehr interessant gewesen!
Liebe Grüße
Gerald Klamer
Lieber Kollege Gerald,
Respekt vor Deiner Aktion. Der Wald braucht gerade jetzt viel Aufmerksamkeit.
Hätte Dir gerne unsere Moorrenaturierung im Reinhardswald vorgestellt . Du bist direkt daran vorbei gelaufen. Das Foto mit dem Graben ist kein vorbereiteter Pflanzeneinschlag, sondern ein umgelegter Graben, der Wasser in die Moorfläche leiten soll. Freiwillige vom Verein Bergwaldprojekt waren zwei Wochen dabei alte Entwässerungsgräben zu verschließen. Vielleicht kannst Du die Bildunterschrift korrigieren. Das anschließende Foto zeigt die Moorfläche vom Waldweg Richtung Westen.
Übrigens ist das „Jagdreservat“ längst Geschichte.
Ich wünsche Dir weiterhin einen guten Weg und viel Erfolg.
Viele Grüße Klemens Kahle, Forstamt Reinhardshagen
P.S.
Wir sind uns schon einmal beruflich flüchtig begegnet .
Hallo Klemens,
vielen Dank für deine Hinweise, ich werde das gleich gerne korrigieren. In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, warum ihr große Pflanzflächen so intensiv räumt, mit Aufschichtung des Reisigs auf Wälle und dazu offensichtlich die hohe Befahrungsintensität in Kauf nehmt?
Na ja, was das Jagdreservat angeht, hoffe ich auch, dass das Geschichte ist, aber beispielsweise die sehr intensive Anlage der Schussschneisen lässt andere Schlüsse zu. Und die Anordnung zum “Wildschutzgebiet” kann meiner Meinung nach ebenfalls nur durch Jagdinteressen erklärt werden…