05.03.2021 Im Wildenburger Wald – ein Mekka der naturgemäßen Waldwirtschaft
In der Nacht regnet es weiter und gegen Morgen geht der Regen in Schnee über, der gefriert. Immerhin höre ich einen Sperlingskauz rufen!
Erst gegen 8 breche ich auf und mache schon bald eine Pause zum Trocknen meiner Sachen oberhalb der Wildenburg. Jetzt scheint die Sonne, es ist aber bitter kalt, daher lasse ich heute meine Daunenjacke an!
Eine Tafel verrät etwas über die Hexenprozesse, die hier bis 1680 statt fanden. Was einem heute absurd vorkommt, war damals eine normale Ansicht, vor allem Frauen, die mit dem Teufel einen Bund geschlossen haben…
Um 12 Uhr treffe ich in der Nähe des Schlosses Crottorf, Dr. Franz Straubinger, seit 28 Jahren Leiter der Hatzfeldt- Wildenburgschen Forstverwaltung, die insgesamt etwa 15.000 ha Wald in drei Betrieben nach ANW- Grundsätzen bewirtschaftet. Und das schon seit 1990, was man dem Wald ansieht, wie mir schon seit gestern aufgefallen war. Laut Dr. Straubinger ist der Schlüsselfaktor für die reichliche Naturverjüngung aller Baumarten der hohe Rehwildabschuss. Seit vielen Jahren werden hier nachhaltig 15 Rehe/ 100 ha erlegt, etwa das dreifache der vielerorts üblichen Menge! Dabei werden viele örtliche Jäger beteiligt, die wenn sie sich bewähren auch einen Revierteil für relativ wenig Geld pachten können. Vielerorts geht das Jagdrecht eher an den Meistbietenden, hier hat die engagierte Jagdausübung und damit der Wald die Priorität. Kosten für Verbissschutz fallen hier keine mehr an, was unterm Strich viel Geld spart!
Auch hier ist die Fichte die flächenmäßig bedeutendste Baumart, aber es gibt keinen Bestand, der nicht mit Mischbaumarten angereichert ist!
In den 90’ern wurden auch noch Buchen aktiv gepflanzt, heute fast nur noch Weisstannen, in geringer, aber ausreichender Stückzahl. Alles andere liefert die Natur von selbst! Exoten wie Hemlocktannen, Esskastanien und Küstentannen wurden nur in kleiner Menge eingebracht.
Natürlich gibt es auch in diesem Wald Borkenkäferschäden, auffallend ist aber wie intakt gerade die vielfältig gemischten und gestuften Bestände sind. Offenbar wird hier weniger Niederschlag unmittelbar verdunstet, wie in den oft dichten, monotonen Fichtenreinbeständen.
Im Wildenburger Wald wird in 5 jährigen Intervallen durchforstet, wobei jeweils nur wenige Bäume geerntet werden. Dennoch ist der Vorrat eher niedrig, um überall die Naturverjüngung zu ermöglichen.
Das wirtschaftliche Gewicht liegt eher auf den Nadelbäumen, dennoch sind auch Laubbäume, sogar die Eiche, überall vorhanden.
Auch wenn mal ein Bestand sturm- oder borkenkäferbedingt ausfällt, steht schon die nächste Generation bereit, ein völlig anderes Bild als in den meisten Betrieben, wo dann erst mal waldunfreundliche Freiflächenbedingungen herrschen. Es werden hier auch Harvester eingesetzt, durch die weiten Rückegassenabstände muss dann aber ein Waldarbeiter mit der Motorsäge die Bäume fällen, die die Maschine nicht erreicht. Zwar werden keine Habitatbäume markiert, die ihr natürliches Alter erreichen dürfen, dennoch bleiben vieler Orts kleine Gruppen solcher Bäume erhalten, ebenso wie Totholz.
Ausserdem gibt es auf den 7000 ha Wald hier, 140 ha die als Naturwaldzellen und Lernobjekte dauerhaft aus der forstlichen Nutzung genommen wurden.
Dr. Straubinger zeigt mir sehr eindrucksvolle Waldbilder, aber schließlich setze ich meine Wanderung hier im Bergischen Land fort. Meist folge ich verkehrsarmen Nebenstraßen, die durch eine abwechslungsreiche Landschaft aus Grünland und Wald führen. Tote Fichten und Kahlschläge säumen die Hänge. In Morsbach kaufe ich ein und schlage schließlich im letzten Licht mein Lager in einem toten Fichtenwald auf. Während der Waldkauz ruft, schreibe ich…
Überall Weisstannen