Durch das wilde Pojortei Tal
17.05.2022
Morgens gehe ich zunächst in dem kleinen Dorfladen einkaufen. Die freundliche Verkäuferin berät mich trotz mangelnder Sprachkenntnisse intensiv, allerdings gibt es weder Müsli noch Haferflocken, also gibt es die nächsten 5 Tage Kekse zum Frühstück.
Noch einmal frühstücken wir in der Pension, ich drehe zwei Videos mit Matthias und fahre dann mit Rainer und Ion nach Breaza, vorbei an der eindrucksvoll aus der Ebene aufsteigenden Gebirgsmauer des Fagaras. Einige Kilometer hinter dem Ort stellen wir an einer Schranke im Pojortei Tal das Auto ab und wandern los. Auf Anhieb gefällt es uns besser als die Täler in denen wir gestern waren. Es gibt keine Stauwehre und Leitungen und der Waldweg wirkt wenig befahren. Leider sehen wir weit oben in der Fichtenzone einen großen, relativ frischen Kahlschlag. Der wilde, weißschäumende Bach ist eine Augenweide. Schon nach 1,5 Kilometern geht die Forsstraße in einen Grasweg über, der ein Stück weiter an einer vom Bach aufsteigenden Felswand endet. Zwar kann man sich hier an einer Stahlkette festhalten, aber bei dem derzeitigen, hohen Wasserstand müsste man in dem wilden Bach laufen. Ohne Rucksack erkunde ich zunächst, ob es nicht doch möglich ist, für das letzte Stück nach oben auszuweichen. Das ist jedoch ziemlich gefährlich.
Meine Begleiter glauben, ich würde jetzt die Erkundung aufgeben, das kommt aber natürlich nicht in Frage. Als ich verkünde, das Kettenstück umklettern zu wollen, fragt Rainer Luick mich, ob ich den Film „Into the Wild“ kenne…
Der Hang ist unangenehm steil und rutschig, glücklicherweise kann ich mich an den gefährlichsten Stellen an jungen Bäumen festhalten, während Ions Drohne über mir kreist.
Schließlich habe ich es geschafft und lasse meine beiden Begleiter winkend zurück. Die wilde Schlucht des Pojortei ist spektakulär und abwechslungsreich. Durch den Urwald aus Buchen, Tannen einigen Fichten, Bergahornen und Ulmen laufe ich mal am Bach, mal im Hang. Leider sind viele der Bergulmen abgestorben, wahrscheinlich durch eine schon seit den Achtziger Jahren aus Asien nach Europa eingeschleppte Pilzkrankheit. Über einen schmalen Holzsteg ohne Geländer, der aber dennoch gut zu begehen ist, überquere ich den Wildbach. Ab und zu öffnet sich ein Blick in die steilen Hänge, aus denen das Laub der frisch ausgetriebenen Buchen leuchtet. Der Pfad ist gut markiert und wird einem Schild nach zu urteilen, von der örtlichen Bergrettung Salvamont gepflegt. So sehe ich etliche Stellen, wo umgefallene Bäume durchgeschnitten wurden.
Schließlich führt der Pfad in Serpentinen steil nach oben. Ab 1350 Meter gibt es fast nur noch Fichten, ich entdecke frische Bärenzeichen und erreiche schließlich um 15 Uhr einen Kamm mit ehemaliger Weidefläche und der Ruine einer abgebrannten Hütte auf etwa 1500 Metern. Es beginnt zu regnen, daher schlage ich schon früh mein Lager auf und schreibe im Zelt. Die letzte Woche mit all den Begegnungen war zwar interessant, aber auch anstrengend, daher tut mir ein bisschen Ruhe jetzt ganz gut.