18.10.2021 Tag 215 Bei Waldlegende Karl- Friedrich Weber
Nachdem ich morgens noch den Blogbeitrag von gestern hochgeladen habe, laufe ich im Licht der Stirnlampe gegen sieben auf Graswegen weiter durch das Barnbruch. Als es hell wird, fallen mir auch in den Erlenbeständen viele abgestorbene Bäume auf. Trotz der gestern erwähnten Rückkehr spektakulärer Tierarten, beschleicht mich das Gefühl, das sich der Waldzustand des Barnbruchs seit meinem Praktikum in den 80’ er Jahren erheblich verschlechtert hat, wobei es dafür wohl keine einzelne Ursache gibt, sondern die Kombination aus Dürre, Wasserstandsschwankungen, neuen Baumerkrankungen und dem erwähnten Sommersturm dazu geführt hat, dass der Wald insgesamt ziemlich lückig und zerrupft wirkt.
Als ich den Wald verlassen habe, bekomme ich so richtig den Straßenlärm des Umlands von Wolfsburg zu spüren. Natürlich hat der Autoverkehr seit damals überall stark zugenommen. Mich beschleichen ziemlich ungute Gefühle, dass die Welt sich in einer dramatischen Abwärtsspirale befindet, befeuert von dem ewigen Ruf nach ständigem Wirtschaftswachstum, von dem leider auch kein heutiger Politiker lässt.
Im Ilkerbruch erzählt eine Tafel etwas über ein Beweidungsprojekt, das Volkswagen als Ausgleich für eine Werkserweiterung macht. Natürlich ist es gut, dass es bei uns zumindest die gesetzliche Notwendigkeit des Ausgleichs von Naturzerstörung gibt. Aber ist das wirklich die Lösung? Ich denke wir müssen als Gesellschaft tatsächlich insgesamt von dem „Immer noch mehr“ wegkommen, ansonsten sehe ich die Zukunft heute morgen düster.
Im Hohnstedter Holz gelange ich in einen Wald, der überwiegend aus Buchen besteht. Inzwischen zeigt sich deutlich die herbstliche Verfärbung, und heute ist ein schöner, sonniger Tag, goldener Oktober eben!
An etlichen Stellen weisen die Buchen Kronenschäden auf, hauptsächlich wie immer in stärker aufgelichteten Bereichen.
Nachdem ich das Beienroder Holz durchquert habe, gelange ich über die Straße schließlich nach Rotenkamp, zum Haus von Karl- Friedrich Weber und seiner Frau Heike. Weber war von 1961 bis 2007 Förster in Diensten des Landes Niedersachsen, überwiegend als Revierleiter. Daneben engagiert er sich seit sehr langer Zeit im Naturschutz, unter anderem als stellvertretender Landesvorsitzender des BUND. Über diesen hat er die Stiftung Naturlandschaft gegründet, deren Präsident er ist. Die Stiftung kauft Land zu Naturschutzzwecken und betreut auch etwa 400 Hektar Wald. Vor allem aber ist Kalle Weber eine wichtige Persönlichkeit in der Bewegung für eine naturnähere Waldbewirtschaftung und teilt seine sehr lesenswerten Gedanken über die Facebookseite „Waldwahrheit“ mit. Nachdem wir im Kreis einiger seiner 5 Kinder und 14 Enkel Mittag gegessen und Kaffee getrunken haben, fahren wir in den nahe gelegenen, 140 Hektar großen Rieseberg, den Kalle seit Anfang der siebziger Jahre forstlich betreut hat. 1969 war dieses Waldgebiet durch das Land Niedersachsen von einer Forstgenossenschaft gekauft worden. Kalle erkannte sofort den ökologischen Wert diese ehemaligen Mittelwalds aus Eichen im Oberstand und einer bunten Mischung aus 13 Baumarten, und schaffte es tatsächlich, dass er dort keinen Holzeinschlag vornehmen musste. Das sollte sich 2009 nach seiner Pensionierung ändern, als ein Forstweg befestigt wurde, Rückegassen bereits markiert und zu fällende Bäume ausgezeichnet waren. Durch seinen Einsatz konnte das abgewendet werden und seit nunmehr drei Jahren wurde der Rieseberg offiziell von den Landesforsten aus der Nutzung genommen.
Etliche der etwa 180- jährigen Buchen sind bereits abgestorben, was laut Weber aber nicht an der Dürre liegt, sondern dass diese Bäume aus Stockausschlag entstanden sind, und daher eigentlich bereits ein höheres Alter aufweisen, so dass sie jetzt in iher Zerfallsphase sind. Überall hat sich Naturverjüngung aus Eschen, Ahornarten, Ulmen, Buchen und so weiter eingestellt. Dabei nicht flächig, so wie das meist im einförmigen Wirtschaftswald der Fall ist, sondern in kleinen Verjüngungskegeln, zwischen denen sich immer wieder, dichtere, dunklere Bereiche befinden. Ein wunderschöner, abwechslungsreicher Wald!
Zurück in Rotenkamp treffen wir Michael Strohmann, der für Braunschweiger Zeitung und Wolfsburger Nachrichten den Oudoor- Podcast „Draußen“ betreibt, in dem auch er auch schon mit sehr bekannten Leuten wie Hans Kammerlander gesprochen hat. Zunächst fahren wir in das nahe gelegene Waldgebiet Sundern, heute ebenfalls größtenteils aus der Nutzung genommen, und führen den ersten Teil unseres Gespräch im Wald, aufgenommen von Erik Beyen, der sich um den Ton kümmert. Anschließend setzen wir unsere Unterhaltung im Haus der Webers fort. Insgesamt ein sehr schönes Gespräch, in dem es auch viel um inhaltliche Fragen zum Thema Wald geht. Auch die Frage, was sich in der Waldbewirtschaftung ändern sollte, kommt dabei nicht zu kurz. Der Podcast ist übrigens ab dem 21. Oktober verfügbar.
Nachdem ich geduscht habe und wir zusammen zu Abend gegessen haben, sitze ich beim Bier noch lange mit Kalle beisammen. Ich bin tief beeindruckt von seinem umfangreichen Wissen, vor allem aber auch von seiner systemischen Sicht auf den Wald, die ganz selbstverständlich auch Wirkungen der Waldbewirtschaftung auf Wasserhaushalt, Klima, Boden und vieles mehr berücksichtigt.
Lieber Kalle, Dein Lebenswerk: einfach großartig!
Lieber Kalle
Ich bin froh, dass du in unserer Gegend wohnst und dass du dafür gesorgt hast, dass unsere Landschaft so wunderschön ist.
Ich genieße immer wieder unsere schöne Natur.
Vielen Dank für deine Jahrzehnte lange hervorragende Arbeit.
Gruß
Anette
Lieber Kalle,
gratuliere zu dieser guten Presse! Viel Erfolg!
Dein Eckart Prause
Lieber Kalle,
eine schöne Würdigung Deiner Arbeit und die Bedeutung intakter Wälder für unsere Zukunft. Herzlichen Dank für Dein unermüdliches Mahnen und Wirken!
Herzliche Grüße
Heiner