Weltnaturerbe Izvoarele Nerei
26.6.2022
Nachdem wir ein gutes Frühstück draußen genossen haben, gehen wir erst um viertel vor elf wieder los. Semenic besteht im Wesentlichen aus einigen Skihotels, die jetzt geschlossen sind und teilweise schon bessere Zeiten gesehen haben. Hinter dem Ort wandern wir durch eine grüne, hügelige Landschaft durch die ein Kuhhirte seine Herde treibt. Die erste Schafherde ist weit genug entfernt, dagegen umgehen wir die nächste weiträumig. Anschließend bellen und beäugen uns die Hunde von zwei Waldrändern gleichzeitig. Wir haben hier schon ein bisschen das Gefühl, einen Spießrutenlauf zu absolvieren.
Schließlich erreichen wir den Wald, wo gleich eine Tafel darauf hinweist, dass hier die 4677 Hektar große Weltnaturerbefläche Izvoraele Nerei des Semenic Nationalparks beginnt, der größte Urwald der EU außerhalb Skandinaviens!
Wir folgen einer Fahrspur, die aber wohl schon lange von keinem Auto mehr benutzt wurde. Dies ist ein reiner Buchenwald, wir sehen nicht eine andere Baumart! Das Terrain ist ziemlich flach , erstaunlich, dass sich der Urwald hier gehalten hat!
Der Wald ist sehr abwechslungsreich mit kleinflächig miteinander verzahnten Alter- und Baumhöhen. Die Lücken in denen die jungen Bäume etwas dichter stehen sind klein, der Eindruck eines dichten Waldes mit geschlossenem Kronendach überwiegt.
Als es zu regnen beginnt, schlagen wir unsere Zelte auf. Es sieht dann zwar immer wieder nach Aufklaren aus, aber das Gewitter kommt dann wieder zurück und ist erst um halb sechs beendet. Daher lassen wir unser Lager aufgebaut und unternehmen ohne die Rucksäcke einen Streifzug. Ein Stück abwärts gibt es zahlreiche Quellen aus denen sich rasch ein munteres Bächlein bildet. Aber selbst in diesem feuchten Lebensraum gibt es weder Erlen noch Eschen. Besonders auffällig ist der fast moorartig federnde, humose Waldboden. Tatsächlich ist die ungestörte Bodenentwicklung wohl einer der größten Schätze des Urwalds mit erheblichen Auswirkungen auf Kohlenstoffspeicherung und Buodiversität im Vergleich zum Wirtschaftswald. Die Buchen erscheinen sehr hoch mit Höhen von bis zu 50 Metern laut Informationstafel. Obwohl zahlreiche Bäume Durchmesser über einem Meter aufweisen, sehen wir keinen außergewöhnlichen Giganten, wie ich sie anderswo in den Karpaten angetroffen hatte. Nichts desto Trotz sind viele Bäume sehr alt, was sich an eichenähnlicher, rauher Rinde und dichtem Moos- und Flechtenbewuchs zeigt, Attributen, die es im Wirtschaftswald kaum gibt. Ebenso ist die Vielfalt der unterschiedlichen Baumgestalten beeindruckend, insbesondere weisen viele Stämme Drehwuchs mit dicken Wülsten auf. Der Wirtschaftswald, der der forstlichen Selektion auf Nutzholz unterliegt ist im Vergleich dazu viel monotoner und bietet nie diese Vielfalt an Strukturen, vom Totholzreichtum ganz abgesehen. Natürlich ist es wichtig, Naturwaldelemente in die Waldbewirtschaftung zu integrieren, wer aber meint, damit die Vielfalt des Urwaldes ersetzen zu können, befindet sich buchstäblich auf dem Holzweg!
Erst in der Dämmerung sind wir zurück im Lager und sitzen noch draußen, bis es dunkel ist.
Lieber Bernd, die Flechte auf die Du Deine Hand da legst ist eine Lungenflechten (Lobaria pulmonaria) die einst, als unsere Buchenwälder noch dicht genug mit alten Bäumen bestanden war, auch hier noch häufig waren. Bit mach möglichst viele Bilder der Flechten die Du siehst.
Weiterhin viel Freude,
Burkhard