Radoteasa- an der Frontlinie der Urwaldzerstörung
11.6.2022
Am Morgen laufe ich auf einem alten Fahrweg entlang der Cerna talabwärts. Auch hier gibt es Stauwerke…
Schon nach recht kurzer Zeit habe ich den Hauptweg- die geplante Straße- wieder erreicht, die ich gestern für den Abstecher verlassen hatte. An zwei Steilen wurde frisch Holz gemacht und in den schlammigen Pfützen schwimmen häufig Gelbbauchunken. Es gibt einige Offenbereiche voller Blumen und Schmetterlinge, sehr wenige Häuser und insgesamt dominiert der Buchenwald in dem idyllischen Tal. Einmal gelingt es mir ein hübsches Neuntötermännchen zu fotografieren. Später verläuft der Weg oberhalb des fjordartig eingeschnittenen Lovanu Stausees, auf den man aber nur selten einen Blick erhascht.
Nach drei Stunden biege ich auf den Forstweg ins Radoteasa Tal ab. Dieser wurde offensichtlich schon lange nicht mehr benutzt. Wo der alte Weg am Bach endet, beginnt ein 2017 frisch in den Hang geschobener Rückeweg der sich vielfach verästelt. Damit wurden vorher noch unberührte Urwälder für den Holzeinschlag erschlossen. Wie kann das sein, in dem größten Nationalpark Rumäniens und gleichzeitigem EU- Schutzgebiet und auf großen Teilflächen Weltnaturerbe der UNESCO?
Bisher sind nur 50 % des Parks streng geschützt, darunter auch viele alpine Flächen. Auf lediglich 30 % der Waldfläche ist Holzeinschlag ausgeschlossen! Besonders skandalös dabei ist, dass es sich hier größtenteils um Urwald handelt, der wegen der Abgelegenheit, der kaum vorhandenen Besiedlung, dem schwierigen Gelände und der Tatsache, dass Buchenholz, verglichen mit dem Holz von Nadelbäumen lange Zeit kaum gesucht war. Warum also dann jetzt der Holzeinschlag? In den letzten Jahren ist die Nachfrage und damit auch der Preis von Buchenholz stark gestiegen, insbesondere für industrielle Verwendungen und als Brennstoff. Das hat den Druck auf die Laubwälder stark erhöht. Hinzu kommt, dass Romsilva, der Staatsforstbetrieb auch die Nationalparks betreut! Ohne Übertreibung kann man wohl sagen, dass man damit „den Bock zum Gärtner“ gemacht hat. Eine eigene, gut ausgestattete Nationalparkverwaltung, wie sie ja jetzt auch in der Slowakei geschaffen wird, ist dringend notwendig!
Glücklicherweise wurden auch hier keine Kahlschläge vorgenommen, sondern der Wald mosaikartig aufgelichtet. In diesen Beständen sind übrigens auch die Kronenschäden zu verzeichnen, die ich letztes Jahr auf meiner Wanderung vielerorts gesehen habe!
Da alle anderen Buchen hier sehr vital sind, eine klare Folge der plötzlichen Auflichtung.
Jüngst wurde der neue Forstmanagementplan des Nationalparks gerichtlich abgelehnt, es ist zu hoffen, dass auch in Domogled- Valea Cernei die international geforderten 75 % der Parkfläche tatsächlich komplett aus der Nutzung genommen werden und die aufgelichteten Buchen hier nicht doch noch kahlgeschlagen werden!
Ich beobachte einen Rehbock und einen Habichtskauz, doch schon um 11 suche ich einen Felsüberhang auf, der mich vor einem langen, heftigen Schauer schützt. Ich habe genug von den Einschlagflächen und wandere in unberührtem Wald einen Steilhang hoch, als mich der nächste Guss durchnässt. Auf einem flachen Absatz errichte ich schließlich mein Zelt.
Später breche ich noch zu einem Spaziergang auf. Hier am Hang sind viele Buchen recht jung und es gibt viele, auch starke Aspen und sehr wenige Tannen. Schließlich erreiche ich den Kamm der zum Berg Bulzul führt. Es gibt hier einen Pfad und der Wald auf der anderen Kammseite ist stark aufgelichtet, überall wachsen Himbeeren sehr üppig, was natürlicherweise im Buchenwald nicht vorkommt. Durch das viele Licht wird der Humus abgebaut, der gespeicherte Kohlenstoff schnell freigesetzt (Gute Sache in der Klimakrise…), und das Wachstum der Bodenpflanzen enorm angeregt. Junge Buchen über denen alle Altbäume geräumt wurden, zeigen, dass hier schon länger so gearbeitet wird. Der Pfad führt offenbar auf dem Bergrücken nach oben, eigentlich eine Ideale Route zu den Tarcu Bergen, wohin ich eigentlich wollte. Doch ich ändere meinen Plan, da ich zunächst noch mehr von Domogled- Valea Cernei sehen möchte.
Es donnert kurz und beginnt dann wieder wie aus Eimern zu schütten. Eine Zeit lang gewährt mir das Laub der Buchen Schutz, doch das währt nicht lange…
Erneut durchnässt erreiche ich schließlich das Zelt und ziehe meine trockenen Schlafsachen an. Gleich viel angenehmer!
Wann seid ihr das letzte Mal so richtig durchnässt worden?