Die Rückkehr der Wisente
10.5.2022
Am Morgen holt mich Ionut Ionascu ab, seit zwei Jahren Ranger bei der Carpathia Stiftung, wegen seiner Liebe zur Natur, obwohl er eigentlich studierter Betriebswirt ist!
Ich übergebe Ionut meine Schneeschuhe als Spende an die Stiftung, dann fahren wir eine ganze Zeit bis ins Rausarul Tal. Unterwegs erzählt er mir einiges über das Carpathia Projekt: Die Stiftung wurde 2009 von 12 Menschen als Reaktion auf die immer schlimmer werdende Zerstörung der Wälder in den Südkarpaten gegründet. Es gelang sehr vermögende Leute als Geldgeber zu gewinnen, zusätzliche Mittel kamen unter Anderem von der EU. Die Vision ist, den mit 250.000 Hektar größten Waldnationalpark Europas außerhalb der Arktis zu schaffen, mit dem Kern des Fagaras Gebirges. Dazu wurden immerhin schon 25.400 Hektar Wald aufgekauft und die Stiftung entfaltet eine ganze Reihe von Projekten, über die ich in den nächsten drei Tagen mehr erfahren werde.
Wir laden noch Ion‘s Kollegen Robert Bulgaru ein und erreichen dann das Tal, wo gerade Baggerarbeiten zur Asphaltierung eines Forstwegs laufen um den Zugang für Touristen zu verbessern. Ein Unding, gerade in dem Gebiet, wo die Wisente ausgewildert werden!
2020 hat dieses Projekt begonnen. Die erste Gruppe im Dambovita Tal ist bereits komplett wild, und man weiß schon seit langem nicht mehr, wo sich die Tiere aufhalten.
Hier im Rausarul Tal sieht das anders aus, allerdings können wir die Wildrinder trotz GPS- Halsband zunächst nicht finden. Daher fahren wir zunächst zum 3 Hektar großen Eingewöhnungsgatter, wo die Tiere nach ihrer Ankunft sich erstmal drei Wochen lang an die fremde Umgebung gewöhnen. Im nächsten Schritt verbringen sie 3-4 Monate in einem über 100 Hektar großen, eingezäunten Gelände, bevor es dann in die Freiheit geht. Bisher sind 27 Wisente hier, es sollen aber noch weitere kommen. Dabei ist besonders wichtig, dass diese von unterschiedlichen Orten stammen, um Inzucht einzuschränken. Schließlich war das Wildrind in Freiheit nach dem ersten Weltkrieg überall ausgestorben und alle heute lebenden Wisente stammen von lediglich 12 Vorfahren ab, die in Zoos überlebt hatten!
Auf dem Rückweg begegnen wir im Tal dann aber doch noch einer wilden Gruppe von 5 Weibchen und einem Kalb, die wenig Scheu zeigen und später sogar das Auto beschnüffeln, während wir drin sitzen!
Später entdecken wir dann noch einen 7-jährigen Bullen, der um die 1000 kg wiegt, doppelt so viel wie die Weibchen, zu denen er sich schließlich gesellt.
Wir beobachten die Tiere eine ganze Weile beim Ruhen, als sich die Gruppe plötzlich erhebt und abzieht. Wir rechnen damit, dass ein Bär auftaucht, aber nichts tut sich und die Wisente kommen zurück. Ich möchte von Ionut wissen, wie die Bevölkerung sieht: „ Viele Leute finden die Wisente gut, während es aber einige gibt, die die Wildrinder als Konkurrenz um das Gras auf den Weiden sieht. Das spielt hier in der Umgebung aber kaum eine Rolle, da auch im Sommer kaum noch Vieh in den Bergen ist. Andernorts gibt es aber noch sehr viele Schafe und Kühe.“ „Und, was glaubst du, wie sieht die Zukunft der Wisente hier aus“ möchte ich von dem 40-jährigen wissen. „Ich denke, dass es in 25 Jahren überall Wisente in den rumänischen Karpaten gibt“, lautet die optimistische Antwort!
Als es zu schütten beginnt, fahren wir zurück, nicht aber ohne vorher noch ein Video für Instagram gedreht zu haben…