Gastbeitrag zum Großmaschineneinsatz in der Forstwirtschaft von Uwe Krüger
Uwe Krüger arbeitet in der Naturschutzbehörde des Landkreises Marburg- Biedenkopf und hat mir diesen Beitrag zum Einsatz von Großmaschinen in der Forstwirtschaft geschickt. Die damit verbundenen Bodenschäden sind ein weithin stark unterschätztes Problem. Umso wichtiger ist es mir, immer wieder darauf aufmerksam zu machen.
Auch mir als Nicht-Förster blieben die weitreichenden Änderungen nicht verborgen, die mit dem Aufkommen ganz neuer Maschinen in unseren Wäldern Einzug hielten. Mehr als fünf Jahrzehnte streune ich (Jahrgang 1960) jetzt durch deutsche Forsten – in den ersten Jahren als Mitglied der „Waldjugend“, der irgendwann Forsteinsätze mitmachen durfte und so schon früh die damalige Waldarbeit erlebte. Seinerzeit war im Reichswald bei Kleve (Niederrhein) noch regelmäßiger das Kettenklirren von Rückepferden zu hören. Dieses wurde ungefähr ab Mitte der 1970er Jahre vom Dröhnen erster großer Forstmaschinen übertönt, mit denen in den ausgedehnten Kiefern-Nachkriegsaufforstungen Reihenentnahmen vorgenommen wurden. Mit einer Mischung aus Respekt und Bewunderung verfolgten wir die Arbeit dieser „Ungeheuer“. Mittlerweile ist es fast der Normalfall, dass wir im Wald bei langen Spaziergängen auf Großmaschinen stoßen. Sie hinterlassen dabei nicht selten Bilder, die in meinen jungen Jahren (als in den Wäldern noch häufiger Übungen mit schwerem Militärgerät stattfanden) jeden ordentlich arbeitenden Revierförster veranlasst hätten, Manöverschäden in beträchtlichem Ausmaß geltend zu machen!(Immerhin wiegen Leopard-II-Panzer mit ihren 60 t tatsächlich nicht Dimensionen mehr als heute beladene Rückezüge mit ihren 40 t.) Und immer wieder bzw. noch kommen deshalb bei mir Zweifel auf, ob das denn eigentlich „normal“ ist?!
Weiterhin verfolge ich (mittlerweile auch als Mitarbeiter einer Naturschutzbehörde) schon viele Jahre Debatten über die Forstwirtschaft. Und dabei fällt auf: Obwohl der Großmaschineneinsatz im Wald „erst“ gegen Ende des letzten Jahrhunderts Fahrt aufnahm und mit ihm weitreichende Veränderungen im Wald einhergingen, spielt er in Fachdiskussionen keine allzu große Rolle. Baumartenwahl (incl. „Exoten“ und Nadelholzanteil), naturgemäße Forstwirtschaft, klima-/witterungsbedingte Waldschäden – DAS sind die Themen von Konferenzen oder Workshops. Folgen des Großmaschineneinsatzes sind zwar immer wieder Gegenstand von einzelnen Beschwerden oder Berichterstattungen in lokalen Medien, doch eine intensive Diskussion auf der Grundlage breiter und langjähriger wissenschaftliche Untersuchungen steht irgendwie noch aus?
Die großmaschinen-unterstützte Forstwirtschaft (GUF) – Ursachen und Folgen
Vorab eine modellhafte Beschreibung der Kernelemente der GUF:
Rückegassen: Baumfreie Fahrstreifen in definierten Abständen (i.d.R. 20 – 40 m) und in einer Breite von z.B. 3,50 m in den Waldbeständen.
Harvester (Holzvollernter): Sie befahren diese Gassen, packen mit ihren Greifarmen beidseits Stämme, sägen sie ab, asten sie, bringen sie auf eine Länge von z.B. 3 m und legen sie am Rand der Gassen ab.
Forwarder (Rückezüge): Sie fahren ebenfalls über die Gassen, sammeln die abgelegten Stammstücke ein und und stapeln sie entlang von Lkw-fähigen Forstwegen für den endgültigen Abtransport auf Holzlager (Polter).
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- Die GUF entspricht Grundmustern des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts (Ersatz von menschlicher Arbeit durch Technik – Optimierung maschineller Arbeit – Tendenz zu immer größeren und leistungsstärkeren Prozessoren). Sie ist insofern keine „Spielart“ einer Entwicklung, sondern eine grundsätzlich angelegte Tendenz. Dies darf aber nicht zu ihrer „Hinnahme“ führen, sondern sollte Anlass einer kritischen Begleitung sein – einen Automatismus gibt es auch hier nicht.
- Die GUF ist unter anderem eine Reaktion auf den Umstand, dass Waldarbeit überdurchschnittlich oft zu schweren Arbeitsunfällen führt. Dieser Punkt ist ein Grund für das Aufkommen der GUF und darf bei ihrer Bewertung nicht ausgeblendet werden.
- Die GUF nahm ihren Ausgang nicht zufällig in Skandinavien und damit in Wäldern, die geprägt sind durch
* kräftige Winter (mit bodenschonenden Schneelagen und Bodenforst),
* felsige Böden in den nicht vermoorten Landschaftsausschnitten,
* ein weitgehendes Fehlen steiler Hänge
* und einer Dominanz von recht einheitlich strukturierten Nadelwäldern.
Die Effizienz und Konkurrenzstärke der GUF führte in kurzer Zeit zu ihrer weitgehenden Übernahme in unsere Wäldern – obwohl diese auf großer Fläche ganz anders strukturiert sind (siehe unten)!
- Vor allem sind die deutschen Wälder auch in sich sehr unterschiedlich. So gibt es auf der einen Seite z.B. die kieferndominierten Wälder Brandenburgs – eher trocken, eben und mit einer dichten Bodenvegetation aus Gräsern und Beerkräutern. Der Boden dieser Wälder, die an Waldbilder Skandinaviens erinnern, ist stark sandig – auch in dieser Hinsicht sind diese Wälder großmaschinen-freundlicher. Auf der anderen Seite finden sich in den niederschlagsreichen Hochlagen unserer Mittelgebirge Buchenwälder und Fichtenforste auf Hanglagen, die kaum eine Bodenvegetation haben, welche den Reifendruck dämpfen könnte. Und das, obwohl die Böden dieser Wälder oft feinkörnig und „plastisch“ (verformbar) sind. Insofern gibt es nicht „die“ GUF, was hier aber unberücksichtigt bleiben muss. – Unberücksichtigt bleiben auch die relativ neuen „Hangharvester“, die sich an einem starken Baum sichern und in Steilhänge abseilen. Mit ihnen lassen sich Waldflächen mit Großmaschinen beernten, für die solche Methoden noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren.
- Eine Holzernte erfolge bis in die 1950er Jahre praktisch ausschließlich durch menschliche und tierische Arbeitskraft (Rückepferde). Sie wurde zunehmend unwirtschaftlich, war aber bodenschonend. Die wesentlich für die Landwirtschaft entwickelten Zugmaschinen wurden dann als Rückeschlepper auch in Wäldern für die Bergung des Holzes eingesetzt. Die durch eine flächige Befahrung verursachten Bodenverdichtungen und die damit wiederum verbundenen Folgen für Baumgesundheit und -wachstum ließen aus guten Gründen den Ruf nach Veränderungen aufkommen.
- Dies führte zum eingangs beschriebenen Muster der GUF. Dem mit ihr angestrebten Vorteil (kein flächigesBefahren der Wälder) stehen bereits auf den ersten Blick Nachteile gegenüber:
* Da die Rückegassen für alle Zeiten angelegt werden und eine regelmäßige Nutzung in mehrjährigen Abständen erfolgt, bleiben die Gassen dauerhaft ohne Baumbewuchs (auch wenn sie von den Kronen angrenzender Bäume übertrauft werden). Je nach Breite und Abstand der Gassen gilt dieses für 10 – 15 % der Waldfläche!
* Das Bodengefüge in den Gassen wird tiefgreifend verändert. Wobei Bodengefüge viel mehr ist als eine Ansammlung mineralischer Bestandteile unterschiedlicher Korngrößen. Es ist ein filigranes Gebilde mit feinsten luft- und wassergefüllten Hohlräumen, mit unterschiedlichen organischen Bestandteilen und einer gigantischen Anzahl kleiner Lebewesen, die spezifische Ansprüche an ihren Lebensraum stellen. Gerald Klamer vergleicht dieses Gebilde eingängig mit einem Schwamm – das sich nach einem Befahren aber nicht mehr in den Ausgangszustand zurückformt. Dieses Bodengefüge besteht auch aus Pilzmyzelien, die für Bäume lebenswichtig sind und große Areale einnehmen können. Diese Myzelien werden nicht nur in den Gassen unmittelbar zerstört, sondern durch die Gassen zerschnitten und in ihrer Funktion daher sicherlich stärker beeinträchtigt als es der eigentliche Flächenumfang der Rückegassen vermuten lässt. (Gibt es hierzu eigentlich schon Untersuchungen, die Jahrzehnte nach Einführung der Rückgassen eigentlich längst vorliegen müssten?)
- Sind die vorgenannten Begleiteffekte der GUF noch augenfällig, sieht es mit ihren Folgen vor dem Hintergrund des Klimawandels schon anders aus. Aktuell leiden unsere Wälder wesentlich unter Austrocknung. Viele Rückegassen verstärken diesen Effekt in fataler Weise:
* Auch wenn das Kronendach angrenzender Bäume vieles verhindert, können Sonnenstrahlen auf den baumfreien Gassen eher den Boden erreichen. Weiterhin können durch die Gassen Luftbewegungen gefördert werden; sie reduzieren die vorteilhaften Auswirkungen des Waldinnenklimas (Dämpfung von Temperaturextremen, Verringerung von Verdunstung).
* Der auf den Gassen verdichtete Boden kann als „zusammengedrückter Schwamm“ nicht mehr so viel Wasser speichern.
* In hängigem Gelände führen Rückegassen immer abwärts, da die Maschinen bei einer hangparallelen Anlage schneller umkippen würden. Die Gassen leiten dadurch das Niederschlagswasser, das in den verdichteten Böden nicht mehr so gut versickern kann, oberflächlich und bodenerodierend ab. Verstärkt wird dieser Effekt, wenn vorhandene Fahrspuren wie Abflussrinnen wirken. So geht das Wasser dem Wald verloren – in Zeiten des Klimawandels ein erheblicher Nachteil! Dazu kommt, dass das Wasser, welches im Wald nicht gehalten wird, in den Tallagen eine zerstörerische Kraft entfalten kann. Dieser Effekt scheint sich herumzusprechen – nach den traurigen Geschehnissen im Aartal wurde in den Medien (auch mit Gerald Klamer) durchaus die Frage erörtert, inwiefern „schwere Forstmaschinen“ einen Beitrag zur Katastrophe leisteten?!
Trägt die GUF so zu einem gewissen Teil dazu bei, Klimafolgen zu verschärfen, so wird sie umgekehrt auch durch Klimaveränderungen erschwert: Das Problem der Bodenverdichtungen schien zu Beginn der GUF noch dadurch beherrschbar, dass der Maschinen-Einsatz für die Winterzeit vorgesehen war, in der (wie in Skandinavien!) Schneelagen und gefrorener Boden unerwünschte Folgen vermeiden sollten. Derartige Voraussetzungen gibt es in Zeiten des Klimawandels aber immer seltener. Deshalb ist es in gewisser Weise unerheblich, wenn die Maschinen heute winters wie sommers in Betrieb sind (siehe unten).
- Über die bisher angerissenen Konsequenzen der GUF hinaus stehen noch weitere Effekte im Raum. Sie hängen damit zusammen, dass Harvester und Forwarder sehr teuer sind und i.d.R. Forstdienstleistern gehören, die im Auftrag privater und öffentlicher Waldbesitzer tätig sind. Bis zum Auftrag mussten die Firmen z.T. harte Bieterverfahren durchlaufen, und sie arbeiten nicht immer mit hohen Gewinnspannen. Die Maschinen dürfen daher nicht lange stehen, und da sie je nach Auftrag in einem größeren Raum eingesetzt werden, müssen sie aufwändig mit Tiefladern von Einsatzort zu Einsatzort gebracht werden. Die Folgen:
* Die auch aus anderen Gründen gegebene Tendenz zur Holzernte rund um das Jahr (im Unterschied zu den früher v.a. im Winter vorgenommenen Einschlägen) wird durch den Drang befördert, die dafür bereitstehende Technik ohne Pause einzusetzen. Der Maschineneinsatz findet auch in den sensiblen Frühlings- und Frühsommermonaten statt (Vogelbrutzeit!). Und leistungsstarke Scheinwerfer ermöglichen ein Arbeiten auch in der Nacht!
* Die eng getakteten Einsätze lassen es kaum zu, auf schwierige Witterungsphasen Rücksicht zu nehmen. Eigentlich müssten stärkere Niederschläge dazu führen, dass die Maschinenführer ihre Arbeit unterbrechen. Aber sie wollen dem Auftrag nachkommen und müssen danach schon zum nächsten vereinbarten Einsatz, und auch die Waldbesitzer möchten, dass die beauftragten Arbeiten ausgeführt werden. Und schon neigen beide Parteien mit einem schlechten Gefühl zu einem „Augen zu und durch“ …
* Es ist ohnehin nicht leicht, in Beständen auf topografisch bewegtem Terrain (v.a. dann, wenn die Bäume nicht in Reihe stehen) Jahre bis Jahrzehnte nach dem letzten Maschineneinsatz die alten Rückegassen zu identifizieren. (Nochmals erschwert wird dieses, wenn Windwürfe die Bestände komplett verändern.) Wenn Maschinenführer und Forstpersonal dann noch unter Zeitdruck arbeiten müssen, kann in der Praxis auch die Grundidee der GUF in Gefahr geraten– die Befahrung der Waldbestände immer auf den gleichen Trassen. – Dass Zeitdruck auch zu häufigeren Anfahrschäden an Bäumen führt, die noch eine Zukunft haben sollen, liegt ebenfalls nahe.
* Der aufwändige Prozess der Auftragsvergabe und des Maschinentransports bis zu den Einsatzorten lässt es kaum zu, dass nur kleinmaßstäbig gearbeitet wird. Wenn schon, denn schon – jetzt muss Fläche bzw. Masse gemacht werden. Und dieses wird wiederum erleichtert, wenn die Bestände auf möglichst großer Fläche hinsichtlich Baumarten und Altersklassen möglichst einheitlich sind.
Der letzte Punkt ist vielleicht der schwerwiegendste! Er steht mit der GUF nicht augenfällig in Verbindung und wird in Diskussionen ausgeblendet, die oft nur lokal aufflammen, wenn mit Abzug von Maschinen unschöne Waldbilder zurückbleiben. Er ist aber geeignet, die Forstwirtschaft langfristig zum Schlechten zu verändern. In den 1980er Jahren war z.B. in der hessischen Forstverwaltung ein ernsthaftes Bemühen erkennbar, Bestände kleinräumig zu mischen. Alte und junge Individuen unterschiedlicher Baumarten sollten unter Zunahme des Laubholzanteils auf kleiner Fläche ein buntes Mosaik bilden. Dies ist allerdings wenig maschinenfreundlich … Und der erst kürzlich ertönte Ruf einflussreicher Akteure nach einer deutlichen Steigerung des Nadelholzanteils in Deutschland[1] dürfe auch damit zusammenhängen, dass die GUF für Nadelwälder entwickelt wurde und sich die eher geradschäftigen Nadelbäume in besonderer Weise für eine Ernte mit Großmaschinen eignen.
Es zeichnet sich aktuell eine Tendenz ab, immer wuchtigerer Maschinen auf großen „monostrukturierten“ (oft nadelholzgeprägten) Bewirtschaftungseinheiten ganzjährig und rund um die Uhr einzusetzen. Das erinnert an kürzlich im Nordosten Deutschlands aufgeschnappte Bilder: Gleich mehrere Traktoren mit Anbauten waren auf einem Riesenschlag nachts im flutlichtartigen Scheinwerferlicht zu Gange. Lugt hier das Schreckgespenst des „Holzackers“ in neuer Gestalt um die Ecke?
- „Der Vorhang zu und alle Fragen offen“. Dies gilt vielleicht auch am Ende dieses Textes. Bestimmte Veränderungen der Forstwirtschaft liegen für Optimisten noch im Rahmen des Denkbaren – z.B. die Begrenzung des Anbaus von nicht-heimischen Baumarten, die Entwicklung von klimastabilen und naturnahen Wäldern oder eine Bewirtschaftung der öffentlichen Wälder nach den Prinzipien des naturgemäßen Waldbaus. Doch die Vorstellung, dass unsere Forstwirtschaft zukünftig ohne Großmaschinen auskommen soll, fällt schwer. Dieses nicht „aus Prinzip“ (denn „im Prinzip“ wurde das Holz bis Mitte des letzten Jahrhunderts ohne eine einzige Großmaschine aus jedem Wald geholt), sondern aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Gerald Klamer hat viele Anregungen gegeben und Beispiele aufgezeigt, wie sich Verbesserungen erzielen lassen. Stichworte: Vergrößerte Gassenabstände, Seilkran-Einsatz, Ergänzung der maschinellen Holzernte durch eine Zuarbeit von Motorsägenführern, Kombination von Maschinen und Rückepferden, Belassen von Baumstümpfen bei der Holzernte zwecks langfristiger Rückegassen-Markierung.
Zusätzlich wird es vielleicht auch Restriktionen geben müssen – welche? Und können der GUF z.B. über klare Vorgaben im Rahmen der „ordnungsgemäßen Forstwirtschaft“ Leitplanken gesetzt werden?
Zu fragen ist weiterhin, welche technischen Entwicklungslinien mit öffentlichen Mitteln gefördert werden können? Denn auch wenn Entwicklungen, die v.a. zwecks Bodenschonung vorangetrieben wurden, zunächst in einer Sackgasse endeten („Schreitharvester“), sind neue Anläufe erkennbar („Schreitbagger mit Harvesteraggregat“). Eine Technik-Optimierung ist immerhin eine vergleichsweise „systemnahe“ Lösung!
Aber vielleicht kommen aus der Fachwelt heraus noch ganz andere (und radikalere?) Vorschläge und Anregungen, wie sich die skizzierten unschönen Entwicklungen aufhalten lassen?
[1] Siehe das im Internet abrufbare Gutachten aus dem Jahr 2016 „Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung“.
Ich finde diesen Beitrag sehr gelungen. Für mich als interessierten Laien fasst der Text die Problematik gut zusammen. Das Dilemma lässt sich wohl nur lösen, wenn mehr Geld in die Wälder gesteckt wird als mit ihnen erwirtschaftet werden muss.
Ich habe auf meiner Wanderung viele Forstbetriebe kennengelernt, die sehr naturnah arbeiten und dennoch Geld verdienen. Das muss sich also keineswegs ausschließen. Langfristige ist eine Bewirtschaftung die sich an natürlichen Abläufen orientiert, auch ökonomisch erfolgreicher.
Vielen dank für die Erläuterung der vielfältigen Effekte der GUF. Im letzten Sommer habe ich im Taunus (Kronberg, Oberursel Hohemark) miterlebt wie innerhalb kurzer Zeit großflächig auf den Steilhängen riesige Kahlschläge vorgenommen wurden. Diese sind aus Frankfurt Innenstadt mit dem blossen Augen bestens zu erkennen. Die Harvester sind überall gefahren nur nicht auf Rückegassen. Es lag dort nach den Einsätzen eine 20 bis 50cm hohe Schickt lockeren staubigen Bodens. Dieser wurde wie zu erwarten im Herbst / Winter bei Regen und Tauwetter weggespült. Das ganze gefördert von der Bundesregierung. Die Flächen sind nun Sonne und Wind ungeschützt ausgesetzt. Ich befürchte, dass sich der Wald dort aufgrund der Bodenverluste nicht schnell erholen wird. Warum hat man nicht die ohnehin beschädigten Fichten stehen gelassen und eine nachhaltigere Bewirtschaftung begonnen=
Christian Berninger wird sicherlich von “Sanitärhieben” berichten (was für ein Begriff, der offiziellen Eingang in die Forstwirtschaft gefunden hat und irgendwie tief blicken lässt …). Über Sinn und Unsinn dieser Maßnahmen in Käferfichten-Beständen werden Herr Klamer oder Kolleg/innen von ihm mehr schreiben können. Von mir daher nur diese eine Bemerkung: Von einem Förster hörte ich, dass “wir jetzt schnellstens handeln müssen, da wir sonst in die Bestände mit den abgestorbenen Fichten aus Gründen der Unfallverhütung nicht mehr hinein können”. Innerhalb von HessenForst gibt es dazu bereits offizielle Dienstanweisungen. Das ist natürlich auch sinnvoll, da von der Menge an abgestorbenen (großen und hohen) Fichten tatsächlich Gefahren ausgehen. Nachvollziehbar ist daher auch, dass derartige Verhältnisse insbesondere entlang von Straßen und Hauptwegen nicht hinnehmbar sind.
Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier noch eine andere Dimension eine Rolle spielt: Der Mensch hat die Natur in Mitteleuropa in verschiedenster Hinsicht gezähmt und mehr oder weniger unter Kontrolle gebracht – eine “Kulturtat”! Und jetzt – nach Jahrhunderten harten Ringens und mit dem Sieg schon in der Tasche – sollen plötzlich wieder größere Flächen unzugänglich werden und sich dem menschlichen Einfluss entziehen!? Und ausgerechnet Förster sollen Teile der durch ihr Wirken tiefgreifend geprägten Flächen nicht mehr betreten dürfen?
Dazu kommt dann noch: Die Natur wird uns zeigen, dass eine alte Förster-Weisheit ihre Berechtigung hat – “am besten hat´s die Forstpartie, der Wald, er wächst auch ohne sie”! In einem Teil der abgestorbenen Bestände würde sich außerordentlich schnell eine neue Baumgeneration einstellen – sogar schneller als auf den von Herrn Berninger beschriebenen geräumten Flächen. Dort herrschen im nächsten Sommer Hitze und Dürre – und damit Verhältnisse, die das genaue Gegenteil vom “Waldinnenklima” sind, das viele junge Bäume lieben. Und im übernächsten Sommer geilt auf den Flächen die “Schlagflur” mit ihrem dichten Bewuchs an Gräsern und Kräutern, die mit jungen Waldbäumen um Licht und Wasser konkurrieren. Je mehr ungeräumte Kieferfichten-Bestände in den Wäldern zu finden sind, desto mehr Beispiele wird es geben, dass sich IN EINEM TEIL dieser Bestände auch ohne eine försterliche Fürsorge ein neuer und klimastabiler Wald entwickeln kann …
Deine Analyse beschreibt Teilaspekte des Sachverhalts sicher treffend. Etwas Hoffnung macht, dass auch große Forstbetriebe wie die niedersächsischen Landesforsten beispielsweise im Harz die Leitlinie vorgegeben haben, dass 1/3 der abgestorbenen Fichtenbestände stehen bleiben soll und in deren Schutz Weißtannen und Buchen gepflanzt werden. Da in diesem Jahr die Holzpreise sehr stark gestiegen sind, selbst für Borkenkäferholz, spielen natürlich leider zunehmend auch wieder ökonomische Gründe eine Rolle ob aufgearbeitet wird oder nicht. Dagegen war das von 2018-2020 anders.