29.06.2021 Tag 112 Naturgemäße Waldwirtschaft im Stadtwald Lohr
In der Nacht gewittert es mit viel Regen, aber diesmal bleibe ich trocken unter dem Tarp. Bereits um 5 Uhr bin ich wieder unterwegs, laufe an Rohrbach vorbei zum Eichenberg und durch die Feldmark und an Waldrändern entlang zum Franziskanerkloster Maria Buchen. Schließlich erfolgt der Abstieg zum Main in Lohr, wo ich mich mit Bernhard Rückert, bis Februar 25 Jahre lang Leiter der Forstabteilung des Stadtwalds Lohr treffe. Mit 4100 ha ist der Stadtwald einer der größten Kommunalwälder Bayerns und erstreckt sich von Lohr weit in die Wälder des Spessarts. Sofort nach seinem Dienstantritt stoppte er die bisherige Praxis des Buchenschirmschlags, bei der Altbestände komplett über der Verjüngung kahl geschlagen werden, und erreichte, dass der Stadtwald nach den Prinzipien der Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) bewirtschaftet wird. Wir trinken bei Herrn Rückert Kaffee und Michael Neuner kommt hinzu, sein Nachfolger als Leiter der städtischen Forstverwaltung. Nach einer allgemeinen Einleitung fahren wir bald in den Wald, der zu 2/3 aus Laubbäumen besteht, mit zunehmendem Umfang. Es fallen hier gleich Ausdehnung und Dichte der mit 105 Jahren weit überdurchschnittlich alten Bestände auf. Tatsächlich ist der Holzvorrat mit 436 Kubikmetern pro Hektar wesentlich größer als der deutsche Durchschnitt von etwa 300 Kubikmetern, und soll weiter wachsen. Dabei werden die Altbestände nur sehr vorsichtig genutzt mit lediglich 20-50 fm/ha pro Erntemaßnahme. Das führt dazu, dass man auch in einem Bestand, in dem vor wenigen Monaten Holz geerntet wurde, man das dem Wald kaum ansieht, vorbildlich!
Zwar sind auch hier viele Kronen, vor allem der Buchen geschädigt und einzelne sterben ab, aber Bernhard Rückert ist optimistisch, was die Zukunft dieser alten Waldbestände angeht.
Der Betrieb ist schon seit langem nach dem FSC- Siegel zertifiziert, weshalb einige Auflagen bestehen, die der Stadt Lohr aber ohnehin ein Anliegen sind. So wird die Befahrung der Waldböden auf Rückegassen im 40 Meter Abstand beschränkt. Dennoch wird teilweise mit dem Harvester gearbeitet und die Bäume zugefällt, die die Holzerntemaschine nicht erreichen kann. Das verursacht Mehrkosten in Höhe von 5-7 Euro pro Kubikmeter Holz, was aufgrund der größeren Bodenschonung es der Stadt aber wert ist. Dadurch, das viel Holz im Bestand liegen bleibt und abgestorbene Bäume nicht entfernt werden, lag der Anteil des stärkeren Totholzes über 20 Zentimeter Durchmesser schon 2011 bei 12 Kubkimetern/ ha und ist weiter stark gestiegen. Ebenso werden 10 Habitatbäume pro Hektar in den älteren Beständen markiert, die dauerhaft erhalten werden. Zum Teil wird das auch durch staatliche Fördermaßnahmen erleichtert.
Als von FSC geforderte Referenzflächen wurden insgesamt 200 ha, verteilt auf 13 Flächen dauerhaft aus der Nutzung genommen, was im Grundbuch gesichert wurde.
Der Eichenanteil liegt bei 18 % und soll mindestens gehalten werden. Daher werden durch Kalamitäten in der Fiche entstandene Freiflächen in der Regel mit dieser Baumart bepflanzt oder eingesät. Darüber hinaus wird die Eiche auch auf mindestens 0,3 ha große Flächen in den Buchenbeständen eingebracht, die sich durch Windwürfe oder Ähnliches ergeben haben. Daher gibt es zur Zeit etwa 80 solcher kleiner Eichenjungwaldflächen. Diese werden meistens gegen Wildverbiss eingezäunt, was inzwischen auf den Flächen die der Forstbetrieb selbst bejagt, auch ohne Schutz funktioniert. Zur Ergänzung werden in diese Flächen meist Weißtannen und die seltene Eibe gepflanzt.
Ich finde, dass der Forstbetrieb Lohr eindrucksvoll demonstriert, dass man naturgemäße Waldwirtschaft auch mit hohen Vorräten betreiben kann, und dabei Naturschutzbelange gut berücksichtigt werden können.
Ebenso wird hier schön gezeigt, dass man die Eiche auch kleinflächig verjüngen kann, im Spessart keine Selbstverständlichkeit…
Als ein schweres Gewitter aufzieht, fahren wir zu Herrn Rückert nach Hause. Als der Regen dann nachlässt, bringt er mich zu der nicht allzu weit entfernten Schanzenkopfhütte, wo ich übernachten will.
Die Leistungen Bernhardt Rückerts kann man richtig einschätzen, wenn man die Bedingungen berücksichtigt, die er bei seinem Dienstantritt antraf. Unter seinen Vorgängern hatte die Rotwildhege vorrangigen Stellenwert. Doch dank seiner Überzeugungskraft und Willensstärke gelang es ihm, Bürgermeister und eine Mehrheit im Stadtrat von seinen Plänen zu überzeugen. Eine beeindruckende Lebensleistung für den Wald. Im Stadtwald Lohr hat sich Bernhardt Rückert ein bleibendes Denkmal gesetzt.
Ja, das sehe ich auch so! Ein wichtiges Vorbild für die Wälder ringsum!
ich staune immer wieder über diese Lobgesänge auf den Herrn Rückert.
Er ist aber weder besser oder schlechter als all die anderen Förster im Spessart die alle eine gute Arbeit machen. Der Lohrer Stadtwald (ich kenn ihn seit über 40 Jahren) ist auch kein Denkmal sondern ein “normaler” Wald und unterschiedet sich nicht von den BAYSF-Flächen im Spessart und auch nach der Ära des Oköjäger Rückert muss die Tanne noch geschützt werden
Selbstverständlich sieht es im Stadtwald Lohr anders aus als bei den Bayerischen Staatsforsten im Spessart. Und das ist sicher großenteils das Verdienst von Helmut Rückert!
An den anonymen Autor “Staunender” – warum eigentlich trauen Sie sich nicht, mit Ihrem richtigen Namen zu Ihrer Kritik zu stehen? Die Kritik scheint nicht substantiell zu sein.
Ich sehe den Stadtwald von Lohr mit immerhin 5% Anteil an Naturwald als vorbildlich für die Region an.
Das gezeigte Foto mit Kronenschäden an der Buche zeigt wieder einmal, dass dieses Bild v.a. dort zu sehen ist, wo die Bäume (auch typisch bei absterbenden Kiefern in Franken!) nicht mehr in dichtem vor Sonne schützenden Kollektiv sondern durch mernschliche Eingriffe bedingt m.o.w. licht stehen. Beispielsweise dort, wo absterbende Fichtengruppen in älteren Laubbaumbeständen entnommen wurden (Hassberge!). Das alles verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass Kitzingen/Ufr. in den letzten Jahren schon zweimal deutsche Rekordwerte von 41°C erreicht hatte. Hitze scheint eher die vorrangige Ursache für solche Bilder zu sein, als Niederschlagsmangel. Wir Menschen können zur Vermeidung von Sonnenbrand in den Schatten flüchten, Bäume zur Vermeidung von Rindenbrand nicht. Ich wünsche viele interssante Waldeindrücke bei weiteren Wanderungen!
Genau, dass stelle ich auch immer wieder fest! Vielen Dank!