22.06.2021 Tag 105 Naturgemäße Waldwirtschaft in Rentweinsdorf
Heute Morgen durchstreife ich zunächst den Rotenhanschen Wald, einen bekannten, schon seit langem nach den Grundsätzen der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft arbeitenden Betrieb, von 1381 Hektar Größe. Der Wald wird von Kiefern- Eichen Mischbeständen bestimmt. Überall wächst Naturverjüngung, hauptsächlich der Buche, aber auch von anderen Baumarten, darunter auch der Eiche, alles ohne Schutz vor Wildverbiss. Der Wald wird seit langem intensiv durchforstet und hat daher ein qualitativ hohes Niveau erreicht. Damit tatsächlich die Naturverjüngung auf ganzer Fläche wachsen kann, ist der Holzvorrat eher gering, aber es gibt etliche starke Kiefern und Eichen. Die Walderschließung ist ziemlich intensiv, mit markierten Rückegassen im Abstand von etwa 30 Metern. Dadurch, dass auch hier vor allem Kiefern und Fichten in den Beständen absterben, gibt es relativ viel Totholz, allerdings kaum starkes Totholz von Eichen und Buchen, so mein Eindruck. Es wurden zwar offensichtlich einige Habitatbäume stehen gelassen, aber insgesamt sehr wenig. Das wirtschaftliche Modell des Betriebs ist offensichtlich die Konzentration auf die Erzeugung von starkem Wertholz, vor allem der Eiche. Dabei fallen aufgrund der flächendeckenden Naturverjüngung kaum Kosten für Kulturbegründung und Pflege an. Insgesamt ist das ein ästhetisch schöner, sicher recht ertragreicher Wald, in dem es aber schön wäre, wenn Naturschutzelemente wie Totholz und Habitatbäume stärker integriert würden. Das dies in Bayern auch im Privatwald sehr gut geht und staatlich gefördert wird, hatte ich ja bei Peter Langhammer in Eichelberg und im Kirchwenwald Passau gesehen.
Bei Kirchlauter verlasse ich den Wald und wandere überwiegend durch offene Fluren zum Main, den ich bei Eltmann überquere. Bald bin ich hier in den Ausläufern des Steigerwalds angelangt. Am Waldrand entdecke ich eine gigantische Kirsche, selten habe ich stärkere Exemplare dieser Baumart entdeckt!
Hier am Main ist es recht warm und trocken, daher zeigen einige Buchen Kronenschäden und sogar mittelalte Birken sind abgestorben. Ein Eichenbestand wurde aufgelichtet und gegattert. In den Zaun wurden dann Douglasien gepflanzt. Auf den recht guten Standorten mit warmem Klima gedeihen Bäume wie Elsbeeren, Kirschen und Linden sehr gut. Ob eine Gebirgsbaumart aus Nordamerika hier hinpasst, halte ich für sehr fraglich, abgesehen davon, sollten wir unsere heimischen Laubwälder erhalten!
Kaum habe ich mein Tarp aufgeschlagen beginnt es auch schon zu regnen und aus der Ferne donnert es…
Danke lieber Gerald, dass Du Eichelberg hier so positiv in Erinnerung hast und immer wieder erwähnst.
Dass die Integration von Strukturen und Prozessen der Naturwälder, wie zB. ökologisch wirksame Mengen an Totholz und Habitatbäume auch im Privatwald nicht nur “geht” (wenn man will!) sondern gerade mit der Waldnaturschutzförderung in Bayern auch einen schönen Beitrag zum Betriebserfolg leisten kann, zeigen ja unsere langjährig überdurchschnittlichen Betriebsergebnisse. Man kann den Waldbetrieb dadurch auch ein Stück weit unabhängiger von den Launen eines immer hysterischeren Holz”marktes” machen.
Aber abgesehen von aller Ökonomie: was könnten uns die (wenigen) Urwaldreste lehren, die wir übrig gelassen haben in Europa und die trotz des “Methusalemalters” vieler ihrer Bäume bisher offenbar viel vitaler durch die bisherigen Auswirkungen des Klimawandels kommen als die meisten unserer “jugendlichen” Wirtschaftswälder und Plantagen: Sie sind fast doppelt so Vorrats reich wie unsere Wirtschaftswälder, extrem Totholz reich, reich an waldtypischer (!) Biodiversität, feucht, kühl, man findet auch ohne Pflege sehr viele sehr “gute” Stammformen, “wertvolle” Stämme, bei Stürmen fallen oft nur einzelne Bäume, fast nie der ganze Wald – und wenn doch mal größere Teilflächen fallen, schützt massenweise Totholz den Boden und die neue Waldgeneration – und bietet Lebensraum. Sukzession regelt die Anpassung an veränderte Bedingungen. Und zudem sind sie wunderschön!
Auch Verjüngung gibt es im Naturwald mitnichten auf der ganzen Fläche, im Gegenteil: das ist ein Wunsch von uns Förstern, um ständig überall möglichst viele Bäume entnehmen zu können und auch um wenigstens etwas vorzusorgen angesichts des ständigen Dramas von hausgemachten “Kalamitäten”.
Was hat also der Großteil unserer Wirtschaftswälder mit Natur zu tun? Sind wir bereit, wenigstens ein wenig von der Natur zu lernen was unsere Wälder betrifft? Sind wir bereit, der Vielfalt des Lebens einen Eigenwert zuzugestehen? Wir scheinen uns sehr schwer damit zu tun.
Hallo lieber Peter,
sehr schön ausgedrückt! Ich hoffe diese Worte kommen bei möglichst vielen an, die Verantwortung für den Wald tragen!